Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
darauf ein, meinem Sohn ein paar außerschulische Lerneinheiten
zukommen zu lassen. Schließlich nahmen sie in der Schule gerade die verschiedenen
Bundesländer durch. Bestimmt würde er gleich fragen, warum diese badische Fabrik
in Rheinland-Pfalz stand. Doch nichts geschah. Paul schien die Unlogik nicht verstanden
zu haben. Ein weiterer Blick nach hinten zeigte mir, dass er wieder in den Prospekt
vertieft war. Während ich über die mangelnde Neugier meines Sohnes enttäuscht war,
wechselten wir auf der Speyerer Umgehungsstraße von der B 9 auf die B 39.
»Papa?«
Aha, nun
hatte er es bemerkt. Jetzt konnte ich die Geschichte um die Entstehung der BASF
doch noch erzählen und meinen Kindern die Allwissenheit ihres Vaters demonstrieren.
»Papa, wie
viele Soldaten hat die BASF eigentlich?«
Ich schluckte
und schaute verwirrt nach hinten. »Soldaten? Wie kommst du auf so etwas?«
»Hier steht,
dass sie eine chemische Kompanie haben.«
Ich kapierte
immer noch nicht. Glücklicherweise hatte meine Frau verstanden.
»Paul, da steht ›the chemical company‹. Das ist
Englisch und heißt ›das Chemie-Unternehmen‹. Das hat nichts mit Kompanie oder Soldaten
zu tun.«
»Das ist
aber blöd«, meinte unser Sohnemann. »Warum schreiben die das in Englisch und nicht
in Deutsch?«
Ich blickte
ernst. »Das mit den Soldaten vergisst du am besten gleich wieder. Die Manager in
der BASF verstehen nämlich keinen Spaß. Wenn jemand nicht sachlich und korrekt über
die BASF schreibt, drohen die gleich mit einer Klage. Wir hatten erst kürzlich so
einen Fall gehabt. Und dieser Student Becker, der uns immer bei der Arbeit behindert,
wollte mal einen BASF-Krimi schreiben. Auch das wurde ihm mit Klageandrohung verboten.«
Melanie
wollte gerade antworten, wahrscheinlich irgendeinen gehässigen Kommentar, doch ich
unterbrach sie.
»Was ist
das jetzt!«, rief ich verärgert. »Ein Verkehrsstau mitten in Speyer!«
Wir waren
die Ortsumgehung halb um Speyer gefahren, um am Technikmuseum die Bundesstraße zu
verlassen und auf dem Festplatz zu parken. Irgendeine Großveranstaltung war immer
in Speyer, doch solch ein Stau war ungewöhnlich.
»Vielleicht
ein Unfall?«, überlegte Stefanie.
Im Schritttempo
ging es weiter. Ich rechnete die Entfernung hoch und kam auf eine knappe halbe Stunde
bis zum Festplatz. Hoffentlich setzten nicht ausgerechnet jetzt die Wehen ein. »Muss
wohl so sein«, antwortete ich. »Frauen und Autofahren, ich sag’s ja immer.«
Für meinen
frauenfeindlichen Witz erntete ich von meiner Frau einen bitterbösen Blick.
Melanie
mischte sich ungefragt ein. »Mama hat neulich gesagt, du müsstest einen Preis bekommen
als schlechtester Autofahrer Deutschlands.«
Die nervöse
Handbewegung meiner Frau in Richtung Tochter bekam ich deutlich mit.
»Das war
letzte Woche, als wir einkaufen waren«, versuchte sie die Situation zu retten. »Da
hast du jeden Kanaldeckel mitgenommen. Das hat unserem Nachwuchs bestimmt nicht
gefallen.«
»Ach was,
Jungs gefällt das Schaukeln.«
Sie lächelte
verschmitzt. »Bist du dir da so sicher?«
Ich beendete
das Thema, denn hier konnte ich nur verlieren. Diversen Verbrechern hatte ich es
in den letzten Monaten zu verdanken, dass ich bei keiner einzigen Ultraschalluntersuchung
dabei sein konnte. Nach wie vor verschwieg sie mir hartnäckig das Geschlecht unseres
Familienzuwachses. Na ja, noch ein paar Tage und ich wüsste es auch so. Vielleicht
sogar bereits heute, auch wenn es hier wenig abstehende Kanaldeckel gab.
Im Schneckentempo
kamen wir der Unfallstelle näher. Nun waren es nur noch etwa 50 Meter bis zur Einfahrt
des Parkplatzes. Nirgendwo konnten wir einen Krankenwagen entdecken.
»Seltsam,
da stimmt was nicht. Nach einem Unfall sieht es nicht aus.«
»Da vorne
steht jemand auf der Straße«, meinte Adlerauge Paul. Kurz darauf konnte ich meinen
Vorgesetzten Klaus Pierre Diefenbach erkennen, der wegen seiner Initialen von allen
nur KPD genannt wurde. Vor einem guten halben Jahr wurde er wegen einiger Verfehlungen
vom Ludwigshafener Polizeipräsidium nach Schifferstadt aufs Land strafversetzt.
Seit er das Regiment führte, war nichts mehr wie früher. Egal, es war Sonntag, und
ich hatte dienstfrei. Trotzdem fragte ich mich, was KPD mitten auf der Straße tat.
Half er einem alten Mütterchen über die Straße oder hatte er wie so oft nur die
Orientierung verloren? Noch drei Autos waren vor uns. KPD unterhielt sich mit einem
Fahrzeugführer. Da er auf der anderen Spur stand,
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