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Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)

Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)

Titel: Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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Gewölbe, die durch offene Durchgänge in voller Breite verbunden
waren. Überall standen Altäre und steinerne Figuren herum. Die Atmosphäre war eine
ganz andere als oben im Dom. Sogar Melanie vergaß ihr ›langweilig‹ und staunte ob
der Größe und der raffiniert gebauten Gewölbedecken.
    »Das ist
ja …«
    Mein Blick
ließ sie erstarren. Das war gerade noch rechtzeitig. Wir waren schließlich nicht
alleine. Neben der Treppe, die wir heruntergekommen waren, ging eine schmalere Treppe
wieder ein paar Stufen nach oben. Da hat wohl der Architekt gepennt, dachte ich
mir. So etwas hätte man eleganter lösen können. Stefanie hielt uns den Faltplan
hin, als wir vor den Kaisergräbern standen. Jetzt spürte auch ich so etwas wie Ergriffenheit.
Ich bekam eine Gänsehaut. Was war hier los? Gab es in der Kaisergruft eine Wasserader
oder lag es tatsächlich an der Mystik dieses Ortes?
    Als wir
fünf Minuten später wieder im Mittelschiff angekommen waren, meinte Paul: »So was
will ich daheim auch.«
    Dieses Mal
lächelte seine Mutter gütig. Sie betrachtete noch ein paar Minuten den Altarraum
und musste danach feststellen, dass die Afrakapelle an der Nordseite verschlossen
war.
    »Na ja,
kann man nichts machen«, sagte sie und ging in Richtung Hauptportal. Ich überholte
sie und ging voraus. Mein Blick verfing sich in der Empore über dem Portal, dort,
wo die neue Orgel von gigantischen Ausmaßen aufgebaut worden war. Je näher ich der
Empore kam, desto mehr verschob sich die Perspektive der Orgel, die irgendwann ziemlich
verzerrt aussah. Dann glaubte ich plötzlich, zwischen den Orgelpfeifen einen Schatten
zu bemerken. Was Sekunden später passierte, kann ich nur ungefähr beschreiben. Ich
sah, wie sich ein größerer Gegenstand löste und nach unten sauste. Etwa fünf Meter
vor mir würde dieser auf den Boden knallen, und genau dort standen nichtsahnend
zwei Personen, die sich unterhielten. Ohne nachzudenken, das dürfte in so einem
Fall sowieso sinnlos sein, stürzte ich nach vorne und flog hechtsprungartig einem
der beiden in den Rücken und zog gleichzeitig den anderen ebenfalls zur Seite. Wir
krachten kreuz und quer ineinander verschlungen auf den Boden, und im selben Moment
knallte etwas eine halbe Mannlänge hinter uns auf den Boden. Glasscherben flogen
uns um die Ohren, eine erwischte mich an der Wange. Ich sondierte die Lage, es schien
keine Schwerverletzten gegeben zu haben, andere Personen waren nicht beteiligt.
Der ältere der beiden von mir Geretteten blutete am Unterarm. Schockiert schauten
sie abwechselnd zu mir und zu dem Gegenstand, der eben zerschellt war. Es handelte
sich um einen ziemlich verbogenen Rahmen aus schwarzem Rundstahl. Gemeinsam mit
den vielen Glassplittern war dieses Gestänge vermutlich der Absturzschutz für den
Orgelspieler.
    »Was ist
passiert?«, brachte der jüngere hervor.
    Ich musste
mit der Antwort kurz warten, da ich noch atemlos war. Für spontane körperliche Höchstleistungen
stand ich offenbar nicht mehr genügend im Training.
    »Da ist
etwas von der Orgel runtergefallen. Ich habe das beobachtet und Sie beide zur Seite
gestoßen. Sonst wäre ein Unglück passiert.«
    Ohne größere
Umstände konnte ich aufstehen. Mein linker Knöchel schmerzte genauso wie meine Wange,
aber ansonsten war alles gut gegangen. Ich sah meine Kinder, die mit Stefanie etwas
abseits standen und sehr blass wirkten. Kein Wunder, das war nun wirklich nichts
für sie. Ich musste sie loswerden. Zu diesem Zweck zog ich meinen Geldbeutel aus
der Hosentasche und überreichte Paul, der am nächsten stand, zehn Euro. »Holt euch
etwas zu trinken. Aber bitte keinen Schnaps.«
    »Ganz bestimmt
nicht, Papa«, antwortete mein Sohn trocken. »Schnaps schmeckt eklig.« Er zog mit
seiner Schwester ab. Schlagartig wurden mir die Konsequenzen von Pauls Aussage klar.
Darum musste ich mich später kümmern.
    Stefanie
nahm mich in den Arm. »War es arg schlimm? Du hast das wirklich ganz klasse gemacht,
Reiner. Ich bin stolz auf dich.«
    Das ging
runter wie Öl, der Rosenkohl dürfte für heute vergessen sein. Ich gab ihr einen
Kuss.
    Ich ging
zu den beiden Herren und half ihnen auf die Füße. Wir unterhielten uns nur über
Belanglosigkeiten, so sehr standen wir unter Schock. Schließlich hörten wir ein
Martinshorn, und kurz darauf kamen zwei Sanitäter, denen mehrere Polizeibeamte folgten,
angerannt. Vermutlich hatte sie ein Dombesucher gerufen, der Zeuge des Unglücks
war. Ich gab mich als Kollege zu erkennen und

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