Pilot Pirx
einem fort die Funkstation an, bis ich ihre Apparate abschaltete und ihnen erklärte, daß sie eine gefährliche Situation – vor allem ein Leck – leicht am Luftmangel erkennen würden.
Gegen elf ging ich in die Messe, um etwas zu essen; der Funker schien nur darauf gewartet zu haben, er verschwand, als hätte er sich in Luft aufgelöst, und ich war viel zu müde, um auch nur an ihn zu denken, geschweige denn ihn zu suchen. Der Ingenieur hatte seine Wache beendet, er war ein wenig ruhiger und sorgte sich schon wieder vor allem um seinen Schwager. Während er seiner Kabine zustrebte (er gähnte wie ein Walfisch), sagte er mir, der linke Radarschirm sei wohl kaputt, denn an einer Stelle funkelte etwas grün. Mit diesen Worten ging er, während ich das kalte Rindfleisch aus der Büchse zu Ende aß – bis ich plötzlich, die Gabel in das unappetitlich erkaltete Fett gespießt, erstarrte.
Der Ingenieur kannte sich in Radarbildern aus wie ich in Asphaltproblemen. Dieser »kaputte« Radarschirm ...
Im nächsten Augenblick raste ich zum Steuer. Das sagt sich so dahin, in Wirklichkeit bewegte ich mich nur so schnell, wie dies möglich ist, wenn man seine ganze Beschleunigung dadurch gewinnt, daß man mit beiden Händen weiterhangelt und sich mit den Beinen von Wandvorsprüngen oder von der Decke abstößt. Der Steuerraum war, als ich ihn endlich erreichte, wie ausgekühlt, die Lämpchen der Schalttafeln erloschen. Die Reaktorkontrollen schimmerten nur sehr schwach, sie glichen Glühwürmchen im Traum, und nur die Radarschirme pulsierten im unaufhörlichen Kreisen der Leitstrahlen. Schon von der Tür her fixierte ich den linken Schirm.
Im rechten unteren Quadrat leuchtete ein unbeweglicher Punkt oder eigentlich – ich sah es, als ich ganz dicht herantrat – ein Fleckchen von der Größe einer Münze, spindelförmig platt, vollkommen regelmäßig, grünlich phosphoreszierend, wie ein winziges, nur scheinbar regloses Fischlein im leeren Ozean. Hätte ein normaler Wachtposten diese Erscheinung entdeckt – aber nicht jetzt, nicht jetzt, eine halbe Stunde früher –, dann hätte er unverzüglich auf Automatik geschaltet, den Kommandanten benachrichtigt und von jenem Raumschiff die Daten über Kurs und Bestimmung gefordert. Aber ich hatte eben keine normalen Wachleute, es war eine halbe Stunde zu spät, und ich war allein, also mußte ich, weiß der Himmel, alles auf einmal machen – die Aufforderung zur Identifikation, Positionsangaben, den Sender, das Anheizen des Reaktors, damit er jederzeit Schub geben könne (er war kalt wie ein alter, aber schon ganz alter Leichnam) –, denn die Minuten verrannen. Ich schaffte es sogar, den halbautomatischen Hilfskalkulator in Betrieb zu nehmen, und es stellte sich heraus, daß jenes Raumschiff auf fast parallelem Kurs mit uns lag. Die Differenz betrug den Bruchteil einer Minute, die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes, im All ohnehin unvorstellbar gering, war fast Null.
Nur daß es schwieg! Ich setzte mich in einen anderen Sessel und begann, es aus dem Bordlasergerät anzumorsen. Es war hinter uns, in einer Entfernung von etwa neunhundert Kilometern, also unerhört nahe, und ich sah mich, offen gesagt, bereits vor dem Kosmischen Tribunal (natürlich nicht wegen »Verursachung einer Katastrophe«, sondern einfach wegen »Verstoßes gegen Paragraph acht des Kosmolotionskodexes durch GA« – Gefährliche Annäherung). Ich sagte mir, daß sogar Blinde meine Lichtsignale gesehen hätten. Dieses Raumschiff saß mir überhaupt nur deshalb hartnäckig im Radar und wollte nicht von der »Perle« lassen, ja, es kam sogar immer näher, weil es einen ähnlichen Kurs hatte. Die Bahnen waren fast parallel, und der andere bewegte sich schon fast am Rande des Quadranten, weil er schneller war. Über den Daumen schätzte ich, daß seine Geschwindigkeit hyperbolisch war. Und wirklich zwei Messungen im Abstand von zehn Sekunden ergaben, daß er neunzig Kilometer in der Sekunde machte. Wir machten kaum fünfundvierzig!
Er antwortete nicht und kam näher; stattlich sah er aus, allzu stattlich sogar – eine grünlich flimmernde Linse, von der Seite gesehen, eine scharfe Spindel ... Ich blickte auf den Radar-Entfernungsmesser, denn er war mir ein bißchen zu groß geworden: vierhundert Kilometer. Ich rieb mir die Augen. Aus dieser Entfernung sieht jedes Schiff wie ein Komma aus. Ach, du »Perle der Nacht«, dachte ich mir, hier ist aber auch nichts so, wie es sein sollte. Ich schaltete das
Weitere Kostenlose Bücher