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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Bild auf den kleinen Hilfsradar mit Richtungsantenne um. Der gleiche Effekt. Ich war baff. Nun wußte ich überhaupt nichts mehr. Vielleicht ist das – ging es mir plötzlich durch den Sinn – auch so ein »Le-Mans-Zug« wie der, den ich fuhr? So an die vierzig Wracks, eins hinter dem anderen, deshalb diese Ausmaße ... Aber weshalb war er dann so spindelförmig?
    Die Radaroskope arbeiteten, der selbsttätige Entfernungsmesser tickte und tickte: dreihundert Kilometer. Zweihundertsechzig. Zweihundert ...
    Auf dem Harrelsberger berechnete ich noch einmal den Kurs, denn die ganze Geschichte roch danach, daß wir allzu nahe aneinander vorbeiziehen würden. Man weiß es ja zur Genüge: Seit auf den Weltmeeren Radar angewendet wird, fühlen sich zwar alle sicherer, aber die Schiffe sinken weiter. Ich bekam wiederum heraus, daß der andere in einer Entfernung von dreißig, vierzig Kilometern an meinem Bug vorbeiziehen würde. Ich überprüfte beide Sendegeräte, den Funkautomaten und das Lasergerät. Sie arbeiteten. Der Unbekannte aber schwieg.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch immer ein schlechtes Gewissen: war ich doch eine Zeitlang blind geflogen, als der Ingenieur mir von seinem Schwager erzählte und mir eine gute Nacht wünschte, während ich mich mit dem Rindfleisch beschäftigte, weil ich keine Leute hatte und alles selber machen mußte – doch nun fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Von heiliger Empörung erfüllt, sah ich nun den wirklichen Übeltäter vor mir: Es war jenes taubstumme Raumschiff, das mit hyperbolischer Geschwindigkeit durch den Sektor jagte und es nicht einmal für nötig hielt, direkte Dringlichkeitssignale zu beantworten.
    Ich schaltete den Sprechfunk ein, begann den anderen zu rufen und verlangte verschiedene Dinge von ihm: Positionslichter einschalten, Leuchtkugeln abschießen, Identität angeben, Namen, Bestimmungsort, Reeder – alles natürlich durch vereinbarte Zeichen. Er jedoch flog weiter, seelenruhig, still und änderte nicht um einen Deut Geschwindigkeit oder Kurs. Nun war er schon auf achtzig Kilometer heran.
    Bisher hatte er sich ein wenig backbord gehalten, aber nun begann er mich ganz offensichtlich zu überholen, machte er doch in der Sekunde doppelt soviel wie ich. Ich wußte – der Kalkulator berücksichtigte nämlich nicht die ganze Winkelkorrektur –, daß er um einige Kilometer näher an mir vorbeiziehen würde als berechnet. Weniger als dreißig konnten es sein, wenn nicht gar zwanzig. Ich hätte bremsen müssen, denn zu solchen Annäherungen darf man es nicht kommen lassen, aber ich konnte nicht: Hinter mir hatte ich diese mehr als hunderttausend Tonnen Raketenfriedhof; ich hätte zuvor all das Gerümpel abhängen müssen, und allein hätte ich dies nicht geschafft, denn die Besatzung widmete sich ganz ihrem Ziegenpeter. Von Bremsen konnte also keine Rede sein. Da waren schon eher Kenntnisse aus der Philosophie am Platze und nicht aus der Kosmodromie: Stoizismus, Fatalismus, eventuell sogar, für den Fall, daß der Fehler des Kalkulators unwahrscheinlich groß sein sollte, etwas aus der Eschatologie.
    Bei zweiundzwanzig Kilometer Entfernung begann das fremde Schiff, die »Perle« deutlich zu distanzieren. Ich wußte, daß sich die Entfernung von nun an vergrößern würde, so daß nun alles scheinbar in Butter war. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich auf den Entfernungsmesser geschaut, weil das am wichtigsten war; erst jetzt blickte ich wieder auf das Radaroskop.
    Das war kein Raumschiff, sondern eine fliegende Insel – ich weiß einfach nicht, wie ich es beschreiben soll. Aus zwanzig Kilometer Entfernung war das Gebilde so groß wie meine zwei Finger! Die ideal regelmäßige Spindel hatte sich in einen Diskus verwandelt, nein – in einen Ring!
    Wahrscheinlich denken Sie sich schon seit langem, es habe sich um ein Raumschiff »der anderen« gehandelt. Nun ja, bei einer Länge von zehn Meilen ... Leicht dahingesagt, aber wer glaubt schon an Raumschiffe »der anderen«? Mein erster Impuls war, es zu verfolgen. Wirklich! Ich packte den Hebel für den Hauptschub – bewegte ihn jedoch nicht. Im Schlepp hatte ich Wracks; das hatte keinen Sinn. Ich sprang aus dem Sessel und gelangte durch einen schmalen Schacht zu der kleinen über dem Kommandoraum in den Außenpanzer eingebauten astronomischen Kajüte. Dort war sogar alles vorhanden, was ich benötigte: ein Fernrohr und Leuchtkugeln. So rasch ich konnte, schoß ich drei davon ab, eine nach der

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