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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ziemlich reger Betrieb, nicht nur Güterverkehr. Ich saß am Sender, der Funker neben mir, bis sechs Uhr Bordzeit, mehr als vier Stunden also, bei passivem Abhören, zum Glück ohne irgendwelchen Alarm. Der Schwarm war so dünn, daß man buchstäblich stundenlang auf die Radarschirme schauen mußte, um mikroskopisch kleine, schwächste Pünktchen zu entdecken – andererseits hätte ich trotzdem nicht geschworen, daß diese grünen Erscheinungen nicht einfach auf Täuschung beruhten, zumal mein Blick durch das ständige reglose Fixieren übermüdet war. Unterdessen hatte man auf der Luna und auf der Erde nicht nur den Radianten berechnet, sondern die ganze Bahn jenes hyperbolischen Schwarms, der sogar schon einen Namen hatte (»der Kanopische« – nach den Sternen des Radianten), und man wußte, daß er die Umlaufbahn der Erde nicht erreichen, sondern, seitlich an ihr vorbeiziehend, das System fern der großen Planeten verlassen würde, die gerade in einer anderen Gegend waren. Schließlich würde er, so unvermittelt, wie er erschienen war, in den Abgründen der Galaktik verschwinden, um nie wieder zu uns zurückzukehren.
    Der Straßenbauingenieur, immer noch ängstlich, steckte den Kopf in den Funkraum, obwohl ich ihn dauernd hinausjagte und ihn anwies, auf die Steuerung zu achten; natürlich war das reine Fiktion, denn erstens hatten wir keinen Schub, und ohne Schub gibt es kein Steuern, und zweitens war er nicht einmal imstande, das elementarste Manöver durchzuführen, das ich ihm ohnehin niemals anvertraut hätte. Mir ging es lediglich darum, irgendwie zu beschäftigen, um mich von den dauernden Belästigungen zu befreien. Er wollte nämlich wissen, ob ich schon einmal in Schwärme geraten sei und wie oft das passiert sei, ob ich dabei Katastrophen erlebt hätte und ob ernste, welche Rettungsaussichten bestünden, falls wir getroffen würden ... Statt einer Antwort gab ich ihm Kraffts »Grundlagen der Kosmolotion und Kosmodromie«. Er nahm zwar das Buch, schlug es aber, wie ich glaube, nicht einmal auf, denn er war auf persönliche Erlebnisse begierig, nicht auf trockene Informationen. All das – ich erinnere daran – spielte sich in einem Raumschiff ab, das der Schwerkraft beraubt war, und unter solchen Bedingungen sind die Bewegungen von Personen, selbst von stocknüchternen, grotesk verändert – dauernd muß man an irgendeinen Gurt denken, ans Anschnallen, andernfalls genügt ein Aufdrücken des Bleistifts beim Schreiben, um bis an die Decke zu fliegen oder sich eine Beule zu schlagen. Mein Funker hatte ein anderes System in petto: Ständig trug er in der Tasche allerlei Kram mit sich herum – irgendwelche Gewichte, Laschen, Schlüssel, und wenn er sich in Schwierigkeiten befand, unbeweglich zwischen Decke, Fußboden und Wänden hängend, langte er einfach in die Hosentasche und schleuderte den erstbesten Gegenstand, den er fand, von sich, um sanft in der entgegengesetzten Richtung davonzuschweben. Diese Methode ist garantiert zuverlässig, sie bestätigte jedesmal aufs neue die Richtigkeit des Newtonschen Prinzips von Aktion und Reaktion, hatte allerdings nicht gerade angenehme Folgen, vor allem für die anderen Besatzungsmitglieder, denn das, was geworfen wird, prallt als Querschläger von den Wänden zurück, und manchmal dauert ein solcher Pendelflug von harten Gegenständen, die einen schmerzhaft treffen können, ziemlich lange. Ich erwähne das, um das Kolorit jener Reise um ein weiteres Mosaiksteinchen zu bereichern.
    Im Äther herrschte mittlerweile stärkeres Gedränge; viele Passagierschiffe änderten für alle Fälle und gemäß den Vorschriften ihre Trasse, Luna hatte allerhand Arbeit mit ihnen. Die automatischen Sender, die nach dem Morsesystem die in den großen stationären Kalkulatoren berechneten Orbital- und Kurskorrekturen senden, jagten unablässig ganze Garben von Signalen hinaus, allzu schnell, um sie akustisch aufzunehmen. Außerdem war auch der Sprechfunk voller Stimmen – die Passagiere teilten ihren besorgten Angehörigen für schweres Geld mit, daß sie sich wohl befänden und ihnen nichts drohe. Die astrophysikalische Station der Luna übermittelte die laufenden Berichte über dichtere Schwarmzonen, über die Spektralanalysen ihrer Zusammensetzung – mit einem Wort: Das Programm war abwechslungsreich, und man langweilte sich nicht allzusehr am Lautsprecher.
    Meine Kosmonauten mit dem Ziegenpeter, die selbstverständlich schon von der hyperbolischen Wolke wußten, riefen in

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