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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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einem Hochleistungsreaktor konnte ihn mit Leichtigkeit einholen, und da ich ja über die so präzis berechneten Bewegungselemente verfügte ...
    Ich öffnete die Kassette des Registrierapparates, um das Papierband herauszunehmen und damit zur Funkstation zu gehen – und erstarrte wie vom Donner gerührt. Ich war benommen, vernichtet ...
    Die Metalltrommel war leer; der Streifen war längst zu Ende, seit Stunden schon, vielleicht seit Tagen, keiner hatte einen neuen eingelegt. Ich hatte also alle Berechnungsergebnisse in die Luft geschickt, sie waren verloren, allesamt; es gab weder ein Raumschiff noch eine Spur von ihm. Nichts ...
    Ich stürzte an die Radarschirme, dann wollte ich ernstlich diesen verwünschten Ballast abhängen, Le Mans’ Güter im Stich lassen und losstürmen ... Wohin? Ich wußte es selber nicht genau. Gewiß, die Richtung ... Ungefähr Wassermann, aber was war das schon für ein Ziel! Oder doch? Wenn ich durch Funk den Sektor bekanntgab, annähernd, sowie die Geschwindigkeit ...
    Das mußte ich tun. Das war meine Pflicht, das zuallererst, wenn ich überhaupt noch Pflichten hatte ...
    Mit dem Lift fuhr ich zum Mittelschiff, zur Funkstation, und legte bereits die Reihenfolge fest: ein Rufsignal an Hauptluna mit der Forderung, mir für alle meine Kommunikate Vorrang einzuräumen, da es sich um Informationen von größter Bedeutung handele; die würde übrigens kein Automat entgegennehmen, sondern wahrscheinlich der Dienstkoordinator von Luna. Ich erstatte Meldung: Fremdes Raumschiff gesichtet – meine Bahn gekreuzt – hyperbolische Geschwindigkeit – offenbar Teil eines galaktischen Schwarms. Luna würde natürlich sofort dessen Bewegungselemente verlangen. Ich mußte ihm dann sagen, daß ich sie zwar berechnet, aber nicht mehr zur Verfügung hätte, da das Bandmagazin des Geräts infolge Nachlässigkeit leer sei. Darauf würde er das »Fix« des Piloten fordern, der das Raumschiff als erster gesichtet hatte. Aber auch ein solches »Fix« gab es nicht, denn den Wachdienst hatte ja ein Straßenbauingenieur übernommen und kein Kosmonaut. Daraufhin – falls ihm die bisherigen Angaben nicht schon verdächtig vorkamen – würde er fragen, weshalb ich während der Messungen nicht den Funker beauftragt hätte, die Daten laufend durchzugeben. Ich könnte in diesem Fall nicht umhin zu erklären, daß der Funker keinen Dienst versehen hätte, weil er betrunken gewesen sei. Wenn er sich auch dann noch dazu herablassen würde, mit mir über diese Dinge zu reden – über eine Entfernung von dreihundertachtundsechzig Millionen Kilometern, die uns trennten –, würde er wissen wollen, weshalb nicht einer der Piloten in Vertretung des Funkers Dienst getan habe; worauf ich antworten müßte, die ganze Besatzung habe Ziegenpeter und liege mit Fieber darnieder. Und falls er bis dahin noch irgendwelche Zweifel hegte, so wäre er nun endgültig überzeugt, daß der Mann, der ihm da mitten in der Nacht Nachrichten über ein Raumschiff »der anderen« auftischte, entweder nicht bei Sinnen war oder stockbetrunken.
    Er würde fragen, ob ich das Abbild des Schiffes irgendwie festgehalten hätte – durch Fotos im Lichte der Leuchtkugeln, durch das Festhalten der Radardaten auf dem Ferroband oder wenigstens durch das Notieren der einzelnen Anrufe, mit denen ich mich über Funk an ihn gewandt hatte. Aber ich konnte nichts dergleichen vorweisen, nichts, da ich viel zu überhastet gehandelt hatte. Es war mir gar nicht in den Sinn gekommen, daß irgendwelche Fotografien nötig wären, da ja die Erdraumschiffe das ungewöhnliche Ziel binnen kurzem eingeholt haben würden und da ohnehin alle Aufzeichnungsgeräte ausgeschaltet waren.
    Der andere würde dann tun, was ich an seiner Stelle auch tun würde – er würde mir befehlen, aus der Leitung zu gehen, und danach alle Schiffe meines Sektors nach verdächtigen Beobachtungen befragen. Aber kein Raumschiff hatte den galaktischen Gast sehen können, dessen war ich sicher. Ich war ihm nur deshalb begegnet, weil ich in der Ebene der Ekliptik flog, obwohl das strengstens verboten ist; denn dort kreisen ständig Staubschwaden und Reste der von der Zeit zermahlenen Meteore und Kometen. Ich hatte dieses Verbot ignoriert, weil andernfalls mein Treibstoff für das Manövrieren nicht gereicht hätte, das Le Mans um hundertvierzigtausend Tonnen Raketenschrott bereichern sollte. Ich wäre also gezwungen, dem Koordinator auf Luna von vornherein zu beichten, daß die Begegnung in der

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