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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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genug, sich zu verstecken.
    Sie können sich wohl denken, daß dies mein erster und letzter Flug für Le Mans war. Seitdem habe ich mich nicht mehr so übertölpeln lassen, obwohl ich noch manchmal in der Klemme saß. Ich hätte über diese – immerhin recht peinliche – Episode nicht gesprochen, wenn nicht ein Zusammenhang mit jener anderen, nicht existierenden Seite der Kosmonautik bestünde. Sie erinnern sich vielleicht: Ich warnte Sie einleitend, daß dies beinahe eine ähnliche Geschichte sein würde wie die aus dem erwähnten Buch.
    Die Meteoritenwarnung erhielten wir auf der Höhe der Umlaufbahn der Venus, aber der Funker hatte geschlafen oder sie einfach nicht aufgenommen, jedenfalls vernahm ich die Neuigkeit erst am nächsten Morgen in den Nachrichten, die von der Kosmolotionsstation der Luna ausgestrahlt werden. Ehrlich gesagt, die Sache erschien mir im ersten Augenblick unwahrscheinlich. Die Zeit der Drakoniden war längst passe, der Raum sauber, schließlich ziehen die Schwärme regelmäßig, gewiß, der Jupiter erlaubt sich manchmal dumme Perturbationsscherze, doch diesmal konnte er kaum der Urheber sein, weil es ein ganz anderer Radiant war. Außerdem handelte es sich nur um eine Warnung achten Grades, um eine Staubwarnung, die Wolkendichte war gering, der Prozentsatz größerer Splitter unwesentlich, die Breite der Stirnseite allerdings beträchtlich: Als ich auf die Karte schaute, wurde mir klar, daß wir bereits seit ein oder zwei Stunden in diesem sogenannten Schwarm steckten. Die Bildschirme waren leer. Ich empfand auch keine sonderliche Unruhe, etwas ungewöhnlich war erst die nächste Mitteilung in den Mittagsnachrichten: Fernsonden hatten herausgefunden, daß es sich um einen systemfremden Schwarm handelte!
    Das war der zweite Schwarm dieser Art seit Bestehen der Kosmolotion. Meteore sind Kometenteilchen und ziehen auf gestreckten Ellipsen dahin, durch die Gravitation an die Sonne gefesselt wie Spielzeug an einer Nylonschnur. Ein systemfremder Schwarm, das heißt ein Schwarm, der aus dem Raum der Großen Galaktik in unser System eindringt, ist eine Sensation, allerdings mehr für Astrophysiker als für Piloten. Gewiß, ein Unterschied besteht auch für uns, wenn er auch nicht groß ist, nämlich in der Geschwindigkeit. Die Schwärme unseres Systems können im erdnahen Raum keine großen Geschwindigkeiten haben. Sie können bestenfalls parabolisch oder elliptisch sein. Ein Schwarm dagegen, der von außerhalb unseres Systems kommt, kann hyperbolische Geschwindigkeit haben und hat sie auch in der Regel. Aber in der Praxis läuft das auf dasselbe hinaus; die Erregung packt also die Meteoritologen und die Astroballistiker, nicht uns.
    Die Nachricht, daß wir in einem Schwarm stecken, machte auf den Funker keinerlei Eindruck. Ich sprach darüber während des Mittagessens; wie gewöhnlich hatte ich die Antriebsaggregate auf kleinen Schub geschaltet.
    Wir gewannen dadurch eine Kurskorrektur, und gleichzeitig erleichterte uns eine Spur von Anziehungskraft das Leben. Wir brauchten nicht die Suppe durch einen Strohhalm zu saugen und uns zu Zahnpaste verarbeitetes Hammelfleisch aus einer Tube in den Mund zu pressen. Ich war schon immer ein Anhänger normaler, menschenwürdiger Mahlzeiten.
    Der Ingenieur hingegen erschrak sehr. Daß ich über den Schwarm wie über einen leichten Sommerregen sprach, schien er als Zeichen von Verwirrung anzusehen. Sanft erklärte ich ihm, daß es sich erstens um einen Staubschwarm handele, um einen Schwarm von sehr geringer Dichte; die Wahrscheinlichkeit, von Gesteinssplittern getroffen zu werden, die das Raumschiff beschädigen könnten, sei also geringer als die Wahrscheinlichkeit, im Theater von einem herabstürzenden Kronleuchter erschlagen zu werden. Zweitens könne man ohnehin nichts machen, da die Perle unfähig sei, Umgehungsmanöver auszuführen, und drittens hätten wir zufällig einen fast parallelen Kurs zur Bahn des Schwarmes, so daß die Gefahr eines Zusammenpralls sich noch um einige hundertmal verringere. Er schien nicht sehr überzeugt, doch ich wollte von Psychotherapie nichts mehr wissen und zog es vor, mich mit dem Funker zu beschäftigen, das heißt, ihn wenigstens für ein paar Stunden von seiner Quelle abzuschneiden, denn mitten im Schwarm war dies schließlich notwendiger als außerhalb. Am meisten fürchtete ich eins – einen SOS-Ruf. Schiffe gab es in diesem Gebiet genug, wir hatten das Perimeter der Venus bereits überschritten, und es herrschte

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