Pilot Pirx
schlug, woran er sich klammerte, aber ich achtete nicht mehr darauf, weil sich schon die Cassinische Teilung vor uns auftat. Wir sausten torkelnd, mit kreiselndem Heck hinein. Ich reduzierte auf 4 g. Jetzt entschied nur noch der pure Zufall. Der Kommandant schrie, ich solle schießen. Ich schoß also nacheinander die Meteoritenabwehrschirme ab, um wenigstens die kleineren Splitter vor dem Bug zu zerquetschen, falls welche vor uns auftauchen sollten. Obwohl das nicht viel nutzte, war es immerhin besser als gar nichts. Die Cassini glich einem riesigen schwarzen Maul; ich sah am Bug, weit entfernt, Feuer. Die Schutzschirme entfalteten sich und gerieten beim Zusammenprall mit den Eisenstaubwolken in Brand. Riesige silbrige Wolken entstanden, unglaublich schön, und barsten im Handumdrehen. Das Raumschiff erbebte leicht, backbord sprangen mit einemmal die Gerätezeiger in die Höhe, es war ein Wärmestoß, wir streiften etwas, ich weiß nicht, was, und waren drüben ...«
»Commander Pirx?«
»Ja, der bin ich. Sie wollten mich sprechen?«
»Ganz recht. Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind. Bitte, nehmen Sie Platz ...«
Der Mann hinter dem Schreibtisch drückte auf den Knopf eines schwarzen Kastens und sagte: »Ich bin jetzt zwanzig Minuten beschäftigt und für niemanden zu erreichen.«
Er schaltete den Apparat aus und musterte Pirx aufmerksam.
»Ich möchte Ihnen einen bestimmten ... originellen ... Vorschlag unterbreiten, Commander. Eine Art ...« – er sucht nach einem passenden Wort –, »eine Art Experiment. Zunächst müßte ich Sie jedoch bitten, über das, was ich Ihnen jetzt sage, Diskretion zu bewahren. Auch wenn Sie den Vorschlag ablehnen sollten. Sind Sie damit einverstanden?«
Mehrere Sekunden lang herrschte Schweigen.
»Nein«, erwiderte Pirx dann und fügte hinzu: »Es sei denn, Sie verraten mir etwas mehr.«
»Sie gehören nicht zu den Menschen, die etwas blanko unterschreiben? Das hätte ich mir eigentlich schon denken können, nach dem, was ich über Sie gehört habe. Zigarette gefällig?«
»Nein, danke.«
»Es handelt sich um einen Versuchsflug.«
»Ein neues Schiffsmodell?«
»Nein, eine neue Art von Besatzung.«
»Von Besatzung? Und meine Rolle dabei?«
»Eine umfassende Beurteilung ihrer Eignung. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann. Jetzt sind Sie an der Reihe.«
»Ich werde schweigen, sofern ich das für möglich halte.«
»Für möglich?«
»Für angebracht.«
»Mit Rücksicht auf welche Kriterien?«
»Auf das sogenannte Gewissen, mein Herr.«
Abermals verstrichen Sekunden. In dem großen Zimmer mit der einen Glaswand herrschte eine Stille, als läge es gar nicht inmitten von zweitausend anderen Räumen, die zusammen einen riesigen Wolkenkratzer mit drei Hubschrauberlandeplätzen auf den Dächern ausmachten. Pirx konnte kaum die Gesichtszüge des Mannes erkennen, mit dem er sich da unterhielt, weil ein stark leuchtender Nebel oder vielmehr eine Wolke, in die die sechzehn obersten Stockwerke des Gebäudes gehüllt waren, den Hintergrund für die Gestalt bildete. Hin und wieder materialisierten sich die milchigen Knäuel hinter der durchsichtigen Wand, und man hatte den Eindruck, als würde das ganze Zimmer von einer unwägbaren Kraft hinweggetragen, als schwebe es davon.
»Gut. Wie Sie sehen, bin ich mit allem einverstanden. Es handelt sich um einen Flug Erde-Erde.«
»Eine Schleife?«
»Ja. Mit Saturnumkreisung und Abschuß neuer automatischer Satelliten auf eine stationäre Umlaufbahn.«
»Das ist doch aber das Unternehmen JOVIANA?«
»Ganz recht, ein Teil davon, was die Satelliten anbelangt. Das Raumschiff gehört ebenfalls der COMSEC, das Projekt steht also unter dem Patronat der UNESCO. Wie Sie wissen, repräsentiere ich diese Institution. Wir haben unsere eigenen Piloten und Navigatoren, aber auf Sie ist unsere Wahl gefallen, weil hier noch ein zusätzlicher Faktor mitspielt, nämlich die Mannschaft, wie ich bereits erwähnte.«
Der UNESCO-Direktor verstummte erneut. Pirx wartete und strengte unwillkürlich sein Gehör an, aber es war wirklich, als erklänge im Umkreis von Meilen nicht der leiseste Laut – und doch waren sie von einer Millionenstadt umgeben.
»Wie Ihnen sicherlich bekannt sein dürfte, gibt es schon seit einer Reihe von Jahren Möglichkeiten, Automaten zu bauen, die den Menschen immer besser ersetzen, die ihm zugleich auf vielen Gebieten ebenbürtig sind. Bisher wurden sie stationär installiert, wegen ihres Gewichts und ihrer
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