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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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den Flug in die Teilung einleitete, mußte die Sonde ihre Position innerhalb der Rampe unkontrollierbar geändert haben; die Seitendeflexion nahm zwar ab, doch der Gasstrahl verlief jetzt tangential zum Rumpf, so daß sich das Raumschiff wie ein Kreisel um seine Längsachse drehte. Anfangs waren diese Umdrehungen ziemlich langsam, sie wurden aber von Sekunde zu Sekunde schneller. Das war der Anfang vom Ende. Calder hatte dieses Rotieren versehentlich ausgelöst – durch das jähe Steigern der Beschleunigung.«
    »Erläutern Sie dem Tribunal ausführlich, weshalb Calder die Beschleunigung Ihrer Meinung nach derart steigerte.«
    »Hohes Tribunal, die Anklage erhebt Einspruch! Der Zeuge ist parteiisch. Er wird hier, so wie er das bereits getan hat, behaupten, Calder hätte versucht, den Kommandanten zum Schweigen zu bringen.«
    »Das will ich durchaus nicht. Calder hätte die Beschleunigung nicht sprunghaft zu steigern brauchen, er hätte das auch allmählich tun können, doch wenn er beabsichtigte, in die Ringlücke vorzustoßen, war großer Schub unumgänglich. Wir befanden uns in einem Raum, der für Manöver höchst ungeeignet war, denn diese Zone ist durch mathematisch unlösbare Bewegungsprobleme vieler Körper gekennzeichnet. Die Einflüsse des Saturns selbst, der Masse seiner Ringe, der nächsten Monde – all das zusammengenommen bildet ein Schwerefeld, in dem sich die Gesamtheit der Perturbation nicht gleichzeitig berücksichtigen läßt. Überdies hatten wir noch Seitendeflexion durch die Sonde. In dieser Situation bewegten wir uns also auf einer Bahn, die die Resultate vieler Kräfte gleichzeitig war – sowohl der Eigenschübe des Raumschiffs als auch der Anziehung der im Raum verteilten Massen. Nun, und je größer der Schub war, mit dem wir flogen, desto geringer wurde der Einfluß der Störfaktoren, da deren Werte konstant blieben, unser Antriebswert wuchs. Indem Calder also die Geschwindigkeit steigerte, machte er unser Raumschiff unempfindlicher gegen äußere Störeinflüsse. Ich bin überzeugt, daß uns der Sprung ohne die plötzlich auftretenden Seitenumdrehungen geglückt wäre.«
    »Sind Sie der Auffassung, daß es einem voll leistungsfähigen Raumschiff möglich ist, die Teilung zu passieren?«
    »Aber ja, Herr Richter. Dieses Manöver ist durchaus möglich, wenn es auch von allen Kosmonautiklehrbüchern verboten wird. Die Teilung ist praktisch drei bis dreieinhalbtausend Kilometer breit. Ihre Ränder sind mit einer dicken Eis- und Meteoritenstaubschicht besetzt, die man zwar visuell nicht wahrnehmen kann, an der aber ein Raumschiff, das sich mit parabolischer Geschwindigkeit bewegt, verglühen muß. Demzufolge ist also der freie Raum, den man passieren kann, an die fünfhundert bis sechshundert Kilometer breit. Bei niedrigen Geschwindigkeiten ist diese Durchfahrt nicht schwierig, doch bei höheren Geschwindigkeiten stellt sich die Gravitationsdrift ein. Deshalb visierte Calder erst genau die Teilung an und gab dann großen Schub. Hätte die Sonde nicht zu rotieren begonnen, wäre alles gutgegangen. Das nehme ich zumindest an. Klar, ein gewisses Risiko war dennoch dabei, die Möglichkeit, daß wir auf einen einsamen Splitter stießen, stand eins zu dreißig. Inzwischen waren aber die Längsumdrehungen aufgetreten. Calder versuchte sie abzufangen, aber es gelang ihm nicht. Er kämpfte großartig, das muß ich zugeben.«
    »Calder konnte also das Rotieren des Raumschiffs nicht beseitigen. Wissen Sie den Grund?«
    »Ich hatte ihn schon vorher, während meiner Wache, beobachtet und dabei bemerkt, daß er ein phänomenaler Rechner war. Er setzte riesiges Vertrauen in seine Fähigkeit, auf eigene Faust, ohne Hilfe der Kalkulatoren, blitzartige Berechnungen anstellen zu können. In unserer Situation, bei parabolischer Geschwindigkeit, mußten wir durch die Cassinische Teilung wie durch ein Nadelöhr. Die Schubmesser waren nicht zu gebrauchen, weil sie nur die Werte des ›Goliath‹, nicht aber die der Sonde anzeigen konnten. Calder beobachtete ausschließlich die Gravimeter und steuerte nur danach. Es war ein regelrechtes mathematisches Wettrennen zwischen ihm und den Bedingungen, die sich mit wachsender Geschwindigkeit veränderten. Wozu Calder in der Lage war, bezeugte die Tatsache, daß er, während ich kaum noch nachkam, die Ziffern auf den Indikatoren abzulesen , im Kopf Berechnungen durchführte, bei denen er Differentialgleichungen vierten Grades aufstellte, ich muß unterstreichen, daß ich

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