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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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vorzubeugen, möchte ich gleich erklären, daß einige von den hier Anwesenden Vater und Mutter haben und einige nicht. Jeder weiß über seine eigene Abstammung Bescheid, aber er weiß nichts über die Abstammung der anderen. Ich wende mich an Sie mit der Bitte, sie freundlicherweise nicht danach zu fragen. Ansonsten haben Sie in jeder Hinsicht völlige Handlungsfreiheit. Die Jungs werden Ihre Befehle ganz bestimmt gewissenhaft befolgen und im dienstlichen und außerdienstlichen Kontakt Eigeninitiative und Offenheit walten lassen. Sie wurden jedoch dahingehend instruiert, daß jeder auf die Frage, wer er sei, dasselbe zu antworten hat: Ein ganz normaler Mensch! Ich sage das von vornherein, weil es keine Lüge ist, sondern die Notwendigkeit, die uns unser gemeinsames Interesse diktiert ...«
    »Ich kann sie also nicht danach fragen?«
    »Sie können schon. Natürlich können Sie, doch dann werden Sie das unangenehme Gefühl haben, daß einige von ihnen nicht die Wahrheit sagen. Wozu also das Ganze? Sie werden immer dasselbe antworten, nämlich daß sie gewöhnliche Jungs sind, aber nicht in jedem Falle wird das der Wahrheit entsprechen.«
    »Und in Ihrem Fall?« fragte Pirx. Schlagartig brachen alle Versammelten in ein Gelächter aus. Am lautesten lachte McGuirr.
    »Oh! Sie sind ein Witzbold! Ich? Ich bin nur ein winziges Rädchen in der Maschinerie der ›Nortronics‹ ...«
    Pirx, der den Mund nicht zu dem kleinsten Lächeln verzog, wartete, bis wieder Stille eintrat.
    »Haben Sie nicht auch den Eindruck, daß Sie mich zu hintergehen versuchen?« fragte er dann.
    »Verzeihen Sie, wie meinen Sie das? Nichts dergleichen! Die Bedingungen sahen eine ›neuartige Mannschaft‹ vor – kein Wort von ›gleichgearteter Mannschaft‹, nicht wahr? Wir wollten ganz einfach den Faktor einer gewissen ... hm ... einer gewissen, rein psychologisch bedingten, irrationalen Voreingenommenheit ausschalten, müssen Sie wissen. Ist doch sonnenklar! Nicht wahr? Während des Fluges und danach werden Sie die Güte haben, gestützt auf den Verlauf der Reise, uns Ihr Urteil über die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Besatzungsmitgliedes vorzulegen. Ein umfassendes Gutachten, an dem uns sehr viel gelegen ist. Wir unsererseits haben uns nur bemüht, Bedingungen zu schaffen, unter denen Sie mit größter Objektivität arbeiten können.«
    »Der Herrgott mag es Ihnen danken!« sagte Pirx. »Nichtsdestoweniger bin ich der Meinung, daß Sie mich hintergangen haben. Ich habe aber nicht vor, mich zurückzuziehen.«
    »Bravo!«
    »Ich möchte jetzt, gleich hier, noch ein paar Minuten mit meinen ...« – er zögerte den Bruchteil einer Sekunde –, »mit meinen Leuten sprechen.«
    »Sie wollen wahrscheinlich etwas über ihre Qualifikation erfahren. Wie dem auch sei, ich will Sie nicht daran hindern! Schießen Sie los! Bitte sehr.«
    McGuirr angelte eine Zigarette aus seiner oberen Rocktasche und brannte sie an, nachdem er die Spitze abgeschnitten hatte, während fünf Augenpaare aufmerksam auf Pirx’ Gesicht geheftet waren. Die beiden Blonden, die Piloten, hatten eine gewisse Ähnlichkeit miteinander. Calder allerdings wirkte mehr wie ein Skandinavier, und seine gelockten Haare schienen stark von der Sonne gebleicht. Brown hingegen hatte richtiges Goldhaar und erinnerte ein wenig an einen Cherub aus dem Modejournal, doch dieses Übermaß an Schönheit wurde durch seine Kiefer und die ständig, gleichsam spöttisch verzerrtem schmalen und farblosen Lippen wieder aufgehoben. Eine weiße Narbe lief vom linken Mundwinkel über die ganze Wange. Daran blieb Pirx’ Blick hängen.
    »Ausgezeichnet«, sagte er, als antwortete er mit einiger Verspätung auf McGuirrs Angebot, und in dem gleichen Ton, scheinbar ganz nebenbei, fragte er: »Glauben Sie an Gott?«, während er den Mann mit der Narbe fester ins Auge faßte.
    Browns Lippen bebten wie in einem unterdrückten Lachen oder vor Spott, und er zögerte mit der Antwort. Er sah aus, als hätte er sich eben erst rasiert und wäre dabei ein bißchen in Eile gewesen: Am Ohr standen noch ein paar Härchen, und auf den Wangen waren noch Spuren von Puder zu sehen, den er nicht gründlich genug abgewischt hatte.
    »Das gehört nicht zu meinen Pflichten«, erwiderte er mit klangvoller, tiefer Stimme. McGuirr, der gerade an seiner Zigarre zog, erstarrte, unangenehm von Pirx’ Frage berührt, und blies heftig blinzelnd den Rauch aus, als wollte er sagen: Siehst du? Da beißt du aber auf Granit!
    »Mister

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