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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Brown«, sagte Pirx noch immer in dem phlegmatischen Ton, »Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
    »Entschuldigen Sie, Commander. Ich habe Ihnen gesagt, daß so etwas nicht zu meinen Pflichten gehört.«
    »Was zu Ihren Pflichten gehört, entscheide ich als Ihr Vorgesetzter«, entgegnete Pirx. McGuirrs Miene drückte Bestürzung aus. Die anderen saßen reglos da und lauschten sichtlich gespannt diesem Wortwechsel, genau wie musterhafte Schüler.
    »Wenn das ein Befehl ist«, erwiderte Brown, mit weichem, deutlich moduliertem Bariton, »dann kann ich nur erklären, daß ich mich mit diesem Problem noch nicht genügend befaßt habe.«
    »Dann lassen Sie es sich bis morgen durch den Kopf gehen. Ich mache Ihre Anwesenheit an Bord davon abhängig.«
    »Jawohl, Commander.«
    Pirx wandte sich nun an Calder, den ersten Piloten. Ihre Augen begegneten sich. Die Iris des anderen war fast farblos, die großen Fenster des Raumes spiegelten sich darin.
    »Sie sind Pilot?«
    »Ja.«
    »Welche Flugerfahrung?«
    »Ich habe einen Kursus über doppelte Steuerung absolviert sowie zweihundertneunzig Einzelstunden im Raum auf kleiner Tonnage, zehn selbständige Landungen, davon vier auf dem Mond, zwei auf Mars und Venus.«
    Pirx schien der Auskunft keine große Beachtung zu schenken.
    »Burton«, wandte er sich an den nächsten, »Sie sind Elektroniker?«
    »Ja.«
    »Wieviel Röntgen können Sie aushalten?«
    Die Lippen des anderen zitterten. Es war nicht einmal ein Lächeln, denn die Bewegung verschwand gleich wieder.
    »Vierhundert, denke ich«, sagte er. »Allerhöchstens. Aber danach müßte ich mich in Behandlung begeben.«
    »Mehr als vierhundert nicht?«
    »Ich weiß nicht, aber ich glaube nicht.«
    »Woher stammen Sie?«
    »Aus Arizona.«
    »Sind Sie schon mal krank gewesen?«
    »Nein. Jedenfalls nicht ernstlich.«
    »Haben Sie gute Augen?«
    »Ja.«
    Pirx hörte eigentlich nicht auf das, was sie sagten; er achtete mehr auf den Klang der Stimme, auf ihr Timbre und ihre Tonlage, er beobachtete die Mimik, die Bewegung des Gesichts, der Lippen, und manchmal ergriff die törichte Hoffnung von ihm Besitz, dies alles sei ein einziger großer blöder Scherz, ein Hohn, und jemand wolle sich einen Spaß mit ihm erlauben, sich über seinen naiven Glauben an die Allmacht der Technologie lustig machen oder ihn vielleicht auf diese Weise dafür bestrafen, daß er so fest daran geglaubt hatte. Denn das waren ja ganz gewöhnliche Menschen. Die Sekretärin hatte gesponnen – was Voreingenommenheit doch ausmacht! Sie hatte sogar McGuirr für einen von denen gehalten ...
    Das Gespräch war bis dahin unverfänglich geblieben, abgesehen von dem nicht gerade gescheiten Einfall mit dem lieben Gott. Das war ganz sicher nicht gescheit, eher geschmacklos und primitiv. Pirx spürte das sehr genau, und er kam sich sehr beschränkt vor, bis zum Stumpfsinn beschränkt, und nur deshalb hatte er wohl überhaupt eingewilligt ... Sie sahen ihn an wie vorher, nur der rothaarige Thompson und die beiden Piloten hatten eine übertrieben gleichgültige Miene aufgesetzt, als wollten sie ihm nicht zu erkennen geben, daß sie seine primitive Seele bis auf den Grund durchschaut hatten, diese Seele eines Routiniers, der nun völlig aus dem ihm bekannten, begreiflichen und deshalb sicheren Konzept geraten war. Er hätte gern weitere Fragen gestellt, besonders als er feststellte, daß sich das Schweigen allmählich gegen ihn zu richten begann und seine Ratlosigkeit offenbarte, aber ihm fiel beim besten Willen nichts mehr ein. Nicht mehr der gesunde Menschenverstand, sondern nur noch die pure Verzweiflung gab ihm ein, etwas zu tun, was völlig aus dem Rahmen fiel, etwas durch und durch Verrücktes – aber er wußte genau, daß er nichts dergleichen machen würde. Er fühlte, daß er sich blamiert hatte und daß es besser gewesen wäre, auf diese Begegnung zu verzichten. Er blickte zu McGuirr und fragte: »Wann kann ich an Bord gehen?«
    »Oh, jederzeit. Heute noch.«
    »Was wird mit der sanitären Kontrolle?«
    »Darüber machen Sie sich keine Gedanken. Alles erledigt.«
    Der Ingenieur beantwortete seine Fragen fast herablassend, so schien es ihm wenigstens.
    Ich bin kein guter Verlierer, dachte er. Und laut erklärte er: »Das wär’s fürs erste. Außer Brown dürfen sich alle als Mitglieder der Besatzung betrachten. Brown wird die Freundlichkeit haben, mir morgen Antwort zu geben. Haben Sie die Papiere bei sich, die zu unterschreiben sind, McGuirr?«
    »Ja, aber

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