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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Pirx’ Worte zu beziehen, sondern vielmehr auszudrücken schien, daß er genau wüßte, was Pirx in diesen Augenblicken bewegte. Dieses Lächeln war Pirx unangenehm, es verwirrte ihn, und es fiel ihm um so schwerer, die Befragung fortzusetzen, als Burns in seinen Antworten ungetrübte Aufrichtigkeit an den Tag legte.
    »Sie verallgemeinern auf der Grundlage eines einzigen Falles«, brummte er.
    »O nein, ich hatte danach noch sehr viel mit Frauen zu tun. Es arbeiteten ... es unterrichteten mich mehrere. Sie waren Dozenten und so weiter. Aber sie wußten von vornherein, wer ich war. Sie versuchten also, ihre Emotionen zu unterdrücken. Das fiel ihnen nicht leicht, weil ich Zeiten hatte, in denen es mir Spaß machte, sie zu reizen.«
    Das Lächeln, mit dem er Pirx in die Augen sah, wirkte beinahe anmaßend.
    »Sie suchten irgendwelche besonderen Eigenschaften, die mich im negativen Sinne von ihnen unterschieden, müssen Sie wissen, und weil ihnen so sehr daran lag, vergnügte ich mich manchmal damit, solche Eigenschaften auch wirklich zu zeigen.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Oh, Sie verstehen ganz gut. Ich mimte eine Marionette, physisch durch eine gewisse Steifheit, psychisch durch passiven Gehorsam ..., aber sobald sie sich an ihren Entdeckungen zu weiden begannen, spielte ich plötzlich nicht mehr mit. Ich glaube, sie hielten mich für eine Art teuflisches Wesen.«
    »Sind Sie da nicht voreingenommen? Das sind doch nur Vermutungen! Immerhin handelte es sich um Dozentinnen, die eine entsprechende Ausbildung genossen haben müssen.«
    »Der Mensch ist ein großartig astigmatisches Geschöpf«, sagte Burns phlegmatisch. »Das ist unvermeidlich, wenn man so entstanden ist, wie ihr es seid. Das Bewußtsein ist ein Teil der Prozesse im Gehirn, der insoweit davon losgelöst ist, als er im subjektiven Empfinden eine Einheit darstellt. Aber diese Einheit ist eine Vorspiegelung der Introspektion. Die anderen Prozesse, die das Bewußtsein davontragen wie der Ozean den Eisberg, werden nicht direkt empfunden – sie machen sich mitunter aber so stark bemerkbar, daß das Bewußtsein sie zu suchen beginnt. Aus dieser Suche heraus entstand der Begriff des Teufels, als eine Art Projektion auf die Außenwelt, eine Projektion dessen, was sich – obwohl es im Menschen, in seinem Hirn, existiert und in ihm wirkt – weder wie der Gedanke noch wie die Hand lokalisieren läßt.«
    »Er grinste noch breiter.
    »Ich halte Ihnen hier einen Vortrag über die kybernetischen Grundlagen der Persönlichkeitstheorie, die Sie sicherlich kennen. Eine logische Maschine unterscheidet sich vom Gehirn dadurch, daß sie nicht mehrere einander ausschließende Programme auf einmal haben kann. Das Gehirn kann sie haben, hat sie immer, deshalb ist es auch ein Schlachtfeld bei Heiligen oder ein Tummelplatz von Widersprüchen bei gewöhnlichen Sterblichen ... Das Neuronennetz der Frau ist anders als das des Mannes. Das betrifft nicht die Intelligenz. Im übrigen ist der Unterschied nur statistischer Natur. Frauen ertragen eine Koexistenz von Widersprüchen besser – im allgemeinen. Nebenbei gesagt schaffen aus diesem Grund hauptsächlich Männer die Wissenschaft, weil sie von der Suche nach einer einzigen, also nicht widersprüchlichen Ordnung geprägt ist.«
    »Mag sein«, entgegnete Pirx. »Deshalb sind Sie also der Ansicht, daß diese Frauen einen Teufel in Ihnen sahen?«
    »Das ist zuviel gesagt«, erwiderte der andere und legte die Hand auf sein Knie. »Ich war für sie höchst abstoßend – und deshalb zog ich sie an. Ich war die Wirklichkeit gewordene Unmöglichkeit, etwas Verbotenes, etwas, was im Gegensatz zur Welt als begreifbare natürliche Ordnung existierte, und ihre Angst war nicht nur der Wille zur Flucht, sondern auch zur Selbstaufgabe. Wenn auch keine von ihnen sich das so deutlich vergegenwärtigte, wie ich es jetzt formuliere: Ich war in ihren Augen der Ausbruch aus dem Gehorsam gegenüber den biologischen Geboten, die Gestalt gewordene Revolte gegen die Natur, ein Wesen, mit dem das biologisch rationelle, also eigennützige Band zwischen Gefühlen und der Funktion der Arterhaltung zerrissen worden war.«
    Er warf Pirx einen schnellen Blick zu.
    »Sie denken, das sei die Philosophie eines Kapauns? Nein, denn ich wurde nicht als Krüppel konstruiert. Ich bin folglich kein schlechteres, sondern nur ein anderes Wesen als ihr, dessen Liebe jedenfalls ebenso uneigennützig, ebenso überflüssig ist oder sein kann wie der Tod und das dadurch

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