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Pilot Pirx

Pilot Pirx

Titel: Pilot Pirx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Rakete schien die Nacht durchbrochen zu haben – es wurde heller und heller, man konnte sehen, wie der tauende Schnee in den Gräben versackte und die ganze Ebene aus den Dampfwolken auftauchte.
    Hinter den Drahtnetzen, die vor Nässe glitzerten, verliefen lange Schutzmauern für das Bodenpersonal. Grasnarbe bedeckte ihre Vorderseiten, glitschiges totes Gras aus dem Vorjahr, das sich mit Feuchtigkeit vollgesogen hatte und den Füßen keinen Halt bot. Pirx hatte es eilig, er nahm sich nicht die Zeit, nach einem der Übergänge zu suchen. Im Anlauf erklomm er das Hindernis – und da erblickte er sie.
    Sie war größer als die anderen und stand ein wenig abseits, hoch wie ein Turm. Raketen dieser Art wurden seit Jahren nicht mehr gebaut. Der Betonboden war mit Pfützen übersät, Pirx wich ihnen sorgsam aus. Nach einigen Schritten wurden sie spärlicher – das Wasser war im Nu durch den thermischen Schlag verdampft. Pirx betrachtete das riesige Projektil; je näher er kam, desto höher mußte er den Kopf recken. Der Raketenpanzer sah aus, als sei er mit lehmgetränktem Stoff beklebt. Früher hatte man versucht, die Überzugmasse mit Karbidasbestfasern zu vermengen. Wenn sich ein solches älteres Raumschiff beim Bremsen in der Atmosphäre Brandstellen zuzog, dann glaubte man, einen Körper vor sich zu haben, dem die Haut in Fetzen herabhing. Es war sinnlos, sie abzureißen – sie bildeten sich immer wieder aufs neue, denn der Reibungswiderstand war ungeheuer groß. Uralt, dieses Schiff, sagte sich Pirx. Aussehen, Manövrierfähigkeit – die ganze Angelegenheit ist kriminell, sie gehörte eigentlich vors Kosmische Tribunal ...
    Der Koffer war schwer, aber Pirx hatte es nicht eilig, ihn loszuwerden. Er wollte sich das Schiff erst einmal genau von außen ansehen. Wie eine Jakobsleiter hob sich die durchbrochene Konstruktion des Aufstiegs gegen den Himmel ab. Alles war grau wie Stein – die Rakete selbst, die leeren Betonkisten, die Stahlflaschen, das rostige Eisengerümpel, die Glieder der Metallschläuche. Ein wüstes Durcheinander, das von der Hast zeugte, mit der man ans Verladen gegangen war. Zwanzig Schritt vom Aufstieg entfernt setzte Pirx den Koffer ab und sah sich um. Die Fracht schien bereits verstaut zu sein, denn die riesige, auf breiten Raupenketten ruhende Verladerampe war abgerückt, ihre Haken hingen in der Luft, zwei Meter vom Rumpf entfernt. Pirx machte einen Bogen um den stählernen Fuß, mit dem sich das gigantische Schiff auf den Boden stützte, und trat unter das Heck des himmelhoch aufragenden Kolosses, der im Schein des Morgenrots tiefschwarz wirkte. Der Stahlbeton war unter dem ungeheuren Gewicht eingesackt, rings um den Fuß verliefen strahlenförmig Risse nach allen Seiten.
    Auch dafür werden sie gehörig zahlen müssen, sagte sich Pirx und dachte an die Zulieferer. Er trat in den Schatten, den das Heck warf, blieb unter dem Trichter des ersten Katapults stehen und blickte in die Höhe. Der Reifenrand, der viel zu weit oben klaffte, als daß er ihn hätte erreichen können, war von einer dicken Rußschicht bedeckt. Pirx zog prüfend die Luft ein. Die Motoren schwiegen längst, aber noch immer war der charakteristische scharfe Ionisationsgeruch zu spüren.
    »Komm doch mal«, sagte jemand hinter ihm. Er wandte sich um, konnte aber niemanden entdecken. Die Stimme ertönte ein zweites Mal, ganz dicht, höchstens drei Schritte entfernt.
    »He, ist da jemand?« rief Pirx. Die Worte hallten dumpf unter der schwarzen Heckkuppel, in die Dutzende von Ausstoßrohren mündeten. Stille ... Pirx ging zur anderen Seite und erblickte mehrere Männer. Sie standen in einer Reihe, ungefähr fünfzehn Meter entfernt, und waren damit beschäftigt, einen schweren Treibstoffschlauch über den Boden zu zerren. Außer ihnen rührte sich nichts, alles war öd und leer. Pirx sah ihnen eine Weile zu. Ihm war, als hörte er unklare, seltsam gestammelte Laute, diesmal schienen sie von oben an sein Ohr zu dringen. Sicherlich ein Schalleffekt, den die Ausstoßrohre erzeugen, dachte er. Sie konzentrieren alle Geräusche, sie wirken wie Reflektoren ...
    Er wandte sich um, holte seinen Koffer, schleppte ihn zum Trap. In Gedanken vertieft, erklomm er die sechs Stockwerke hohe Leiter. Es war sonderbar, aber er hätte nicht sagen können, was ihm durch den Kopf ging. Als er oben stand, auf der Plattform mit dem Aluminiumgeländer, sah er sich nicht einmal Abschied nehmend um – so etwas kam ihm gar nicht in den Sinn. Bevor er

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