Pilot Pirx
fragte er sich kopfschüttelnd.
Die Kühlaggregate? Sie müssen hier irgendwo sein ... Er lauschte. Die Bleche der Verschalung vibrierten.
Pirx ging weiter, er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, immer tiefer ins Erdinnere hinabzusteigen. Es hallte dumpf, wenn er die Füße aufsetzte, der Schall brach sich an der niedrigen Decke. Endlich erreichte er die Tür, sie war hermetisch verschlossen, die Kurbel ließ sich nicht bewegen. Er versuchte es mit Gewalt, aber sie rührte sich nicht. Schon wollte er den Fuß dagegenstemmen, da fiel ihm ein, daß er erst das Sicherungsstäbchen herausziehen mußte.
Es folgte ein weiteres Hindernis, eine Art Flügeltür – stark wie die Wand eines Panzerschranks. In Augenhöhe waren die Reste von Buchstaben zu erkennen, der rote Lack war halb abgeblättert:
LEB ... G ... HR
Ein enger, finsterer Gang schloß sich an. Pirx setzte den Fuß auf die Schwelle – es klickte, grelles Licht blendete ihn, gleichzeitig flammte ein Warnschild auf mit einem drohenden Totenkopf. Die hatten aber Angst damals! dachte Pirx, als er die Stufen zur Kammer hinabstieg. Das Blech dröhnte dumpf unter seinen Absätzen. Unten war ihm, als stünde er auf dem Boden eines trockenen Burggrabens. Vor ihm erhob sich die graue Schutzwand des Reaktors, zwei Stockwerke hoch und gewölbt, wie die gezackte Wehr einer Festungsmauer. Die Schutzwand war mit gelben und grünlichen Flecken übersät, die wie Pockennarben anmuteten. Es waren Plomben – Spuren ehemaliger Strahlendurchschüsse. Er versuchte, sie zu zählen, aber als er die Plattform betrat und den Reaktor aus der Höhe betrachtete, gab er sein Vorhaben auf – vor lauter Plomben war stellenweise die Wand nicht mehr zu sehen.
Die Plattform ruhte auf kleinen Metallsäulen, sie war von der übrigen Kammer durch große Glasscheiben getrennt und wirkte wie ein durchsichtiger Würfel. Bleiglas, konstatierte Pirx. Es soll vor Strahlen schützen, dieses Überbleibsel atomarer Architektur ... Welch ein Unsinn ...
Unter einer kleinen Überdachung ragten Geigerzähler hervor, sie waren fächerartig angeordnet und auf den Bauch der Säule gerichtet. Pirx entdeckte in einer Nische mehrere Meßuhren. Die Zeiger standen auf null – mit einer Ausnahme. Die Atomsäule hatte Leerlauf.
Pirx stieg hinab, kniete nieder, blickte in den kleinen Meßschacht und stellte fest, daß die Periskopspiegel bereits schwarze Altersflecke hatten. Wahrscheinlich zuviel radioaktive Schlacke, dachte er. Na wennschon, schließlich geht’s nicht zum Jupiter, sondern zum Mars – in zehn Tagen kann ich zurück sein ... Der Brennstoff würde sogar für mehrere solche Fahrten reichen ... Pirx betätigte die Kadmiumblenden, der Zeiger zitterte unwillig und schlug bis zum Ende der Skala aus. Die Verzögerung hielt sich in den Grenzen des Erträglichen, die Kontrolle würde schon ein Auge zudrücken.
In der Ecke rührte sich etwas. Zwei kleine grüne Lichter glommen auf, starrten Pirx an, glitten zur Seite. Er trat zitternd näher – es war eine Katze, eine magere schwarze Katze. Sie miaute kläglich und drückte den Buckel an sein Bein. Er lächelte. Sein forschender Blick fiel auf ein eisernes Regal mit mehreren Käfigen, in denen sich etwas Weißes, Quirliges bewegte – weiße Mäuse. In den alten Raumschiffen war es üblich, sie mitzuführen als lebende Meßgeräte für radioaktive Strahlung. Er bückte sich, um die Katze zu streicheln, aber sie entwischte ihm. Plötzlich blieb sie regungslos stehen, starrte unverwandt in den dunkelsten, engsten Teil der Kammer. Pirx beugte sich vor, das eigenartige Gebaren des Tieres erregte seine Aufmerksamkeit. Er beobachtete, wie die Katze mit gekrümmtem Rücken und vorgestreckten Pfoten auf einen Betonpfeiler zuschlich. Dahinter war im Halbdunkel eine viereckige Öffnung zu erkennen – offenbar ein Durchgang – und außerdem eine schräge Wand mit einer halb geöffneten Tür. Pirx’ Neugier wuchs. Er sah, daß dort irgend etwas schimmerte – etwas, was er für die Glieder eines Metallschlauches hielt. Die Katze verharrte unmittelbar davor, mit gesträubtem Haar und zitternder Schwanzspitze.
»Na, na – da ist doch nichts ... Da kann doch gar nichts sein«, murmelte Pirx vor sich hin. Er kauerte sich nieder, streckte den Kopf vor – und stutzte: Dort saß jemand. Deutlich war ein Rumpf zu erkennen, er schien in sich zusammengesackt zu sein. Die Katze erwachte aus der Erstarrung, leise maunzend, näherte sie sich der kleinen Tür.
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