Pilot Pirx
nichts. Sie lebten nicht mehr in den idyllischen Zeiten der Weltraumfahrt. Die waren längst passe, jetzt war man bloß ein Fuhrmann und von denjenigen abhängig, die einem die Ware aufluden! Fracht, Versicherung, Standgeld ... Im Radio brabbelte es undeutlich. Halt mal – was war das? Er beugte sich übers Bett und drehte an einem Knopf.
»... aller Wahrscheinlichkeit nach Reste des Leonidenschwarms ...« Der weiche Bariton des Sprechers füllte den Raum. »Lediglich ein Wohngebäude wurde direkt getroffen und büßte seine hermetische Abdichtung ein. Glücklicherweise befanden sich zu diesem Zeitpunkt alle Bewohner an ihrem Arbeitsplatz. Die übrigen Meteoriten richteten keinen größeren Schaden an, bis auf einen, der die Schutzscheibe der Magazine traf. Berichten unseres Korrespondenten zufolge wurden sechs für Arbeiten auf dem Baugelände vorgesehene Universalautomaten völlig zerstört. Beschädigt wurde auch die Hochspannungsleitung. Die Telefonverbindung konnte schon nach drei Stunden wiederhergestellt werden. Und hier noch einmal die wichtigsten Meldungen: Heute morgen wurde der panafrikanische Kongreß eröffnet ...«
Er schaltete das Radio aus und setzte sich. Meteoriten? Irgendein Schwarm? Richtig, es war ja die Zeit der Leoniden, aber die Prognosen hatten doch ... Diese Meteorologen pfuschen vielleicht was zusammen, genau wie die Synoptiker auf der Erde ... Das Baugelände? Damit war sicherlich das im Norden gemeint. Atmosphäre blieb eben Atmosphäre, es machte einem mächtig zu schaffen, wenn die fehlte. Sechs Automaten – ziemlich happig. Gut, daß wenigstens die Leute mit heiler Haut davongekommen waren. Trotzdem – eine dumme Geschichte, daß es die Scheibe durchgehauen hatte. Na, der Projektant, das ist vielleicht ein ...
Er war müde. Sein Zeitgefühl war völlig durcheinandergeraten. Zwischen Mars und Erde mußten sie den Dienstag geschluckt haben. Dem Montag war gleich der Mittwoch gefolgt, und im Endeffekt fehlte ihm auch eine Nacht. Vor allem mal gründlich ausschlafen, sagte er sich, stand auf und stolperte instinktiv auf das winzige Badezimmer zu, aber als ihm das eisige Wasser wieder einfiel, erschauerte er, drehte sich auf dem Absatz um und lag eine Minute später in der Falle. Für die Koje brauchte er sich nicht erst zu waschen! Seine Hand suchte wie von selbst nach den Gurten, um die Decke festzuschnallen. Er schmunzelte, als er sie nicht fand – er war ja in einem Hotel. Hier bestand keine Gefahr, daß die Schwerkraft unversehens aussetzen würde ... Mit diesem Gedanken schlief er ein. Als er die Augen wieder aufschlug, hatte er keine Ahnung, wo er war. Ägyptische Finsternis ringsum. Tyndall! wollte er rufen, und plötzlich mußte er daran denken, wie dieser einmal aus der Kajüte gestürzt war, nur in Schlafanzughosen, und den Wachhabenden ganz außer sich angefleht hatte: »Du! Ich bitte dich! Sag mir, wie ich heiße!« Der Ärmste war stern-hagelblau gewesen, er hatte sich irgendeine Magengeschichte eingebildet und eine ganze Buddel Rum hinter die Binde gegossen ...
Diese Gedankenabschweifung verhalf Pirx sofort in die Wirklichkeit zurück. Er stand auf, knipste die Lampe an und trat unter die Dusche. Vorsichtshalber drehte er den Hahn nur wenig auf – das Wasser war lauwarm. Er seufzte, denn er sehnte sich nach einem heißen Bad, aber bald darauf rann ihm das Wasser in Strömen über Gesicht und Körper, und er begann sogar, vor sich hin zu summen.
Er zog gerade ein sauberes Hemd an, als der Lautsprecher – nanu, daß es so was hier überhaupt gab! – in tiefem Baß losdröhnte: »Achtung! Achtung! Eine wichtige Durchsage. Alle Männer, die befähigt sind, eine Waffe zu tragen, werden gebeten, sich unverzüglich in der Hafenleitung, Zimmer 318, bei Chefingenieur Achanian zu melden. Ich wiederhole. Achtung, Achtung ...« Pirx war so überrascht, daß er eine Weile reglos dastand, nur in Socken und Hemd. Was sollte das heißen? Ein Aprilscherz? Die befähigt sind, eine Waffe zu tragen? Träumte er? Aber während er mit den Armen herumfuchtelte, um das Hemd schnell herunterzuziehen, stieß er so heftig mit der Hand gegen die Tischkante, daß ihm heiß wurde. Nein, das war kein Traum. Aber was dann? Eine Invasion? Die Marsbewohner erobern den Mond? Unsinn! Jedenfalls mußte er hin ...
Als er in die Hosen fuhr, war ihm, als flüstere ihm eine Stimme zu: Das mußte ja so kommen, ausgerechnet, wenn du hier bist. Du hast nun mal so’n Glück, du ziehst die Abenteuer an
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