Pink Christmas 2 (German Edition)
Person nur in seinen Träumen. Manchmal eine SMS mit kryptischen Songtex ten, einmal ein Telefonat mit viel Schweigen und In-den-Hörer-atmen. Ansonsten das konsequente und bisher erfolglose Bemühen, unter den hübschen Söhnen anderer Mütter einen zu finden, der genauso wunderbar ist.
„Hast du noch Kontakt … zu … Mick? Weißt du, wo er heute Abend ist?“
Jetzt spricht er ihn aus, den Namen, und erinnert sich daran, dass es eine reale Person hinter dem Namen gibt, nicht nur einen schönen, schmerzhaften Wunschtraum.
„Keine Ahnung“, sagt Katie und verzieht das Gesicht. „Interessiert mich auch nicht, so wie der die Brocken hingeschmissen hat, nach dem letzten großen Auftritt. Ich meine, das macht man doch einfach nicht. Von heute auf morgen. Hätten wir noch einen Auftritt gehabt, er hätte uns glatt absaufen lassen.“
Daniel nickt. Er weiß, dass Mick eine Art hat, die Brocken hinzuschmeißen. Man sollte ihm nicht nachlaufen. Man sollte sich nicht wünschen, ihn hier zu treffen statt Lilli.
Man sollte aus seinen Fehlern lernen.
„Neben dem Karussell, der Glühweinstand“, sagt Katie. „Da hab ich Lilli zuletzt gesehen. Mit ein paar anderen Leuten aus eurem Jahrgang.“
„Danke“, sagt Daniel und schiebt sich an Katie vorbei. „Viel Spaß noch.“
„Dir auch.“
Lilli und Jo sind umgeben von einem Pulk ehemaliger Mitschüler. Daniel entdeckt zuerst Jo, der die Umstehenden um Kopfeslänge überragt. Jo sieht ihn, macht ein überraschtes Gesicht und beginnt dann zu strahlen. Dann steckt Lilli den Kopf aus dem Pulk, kreischt auf und fliegt Daniel an den Hals.
Sie umarmen sich so fest, dass es weh tut, und Lilli lacht und quietscht und plappert durcheinander und tut alles beinahe gleichzeitig.
„Überraschung gelungen?“, fragt Daniel lächelnd, als sie ihn zu Wort kommen lässt.
„Absolut“, sagt sie und hält ihn immer noch an den Schultern, als befürchte sie, er könne sich in Luft auflösen. „Meine Güte, Herr Hauptstadtbewohner. Was verschlägt dich in die endlose Weite der Provinz? Keine guten Partys in Berlin?“
„Doch. Bestimmt. Aber du bist ja nicht dort. Deshalb muss ich mich hier diesem Glitzerwahnsinn aussetzen.“
Sie lacht und küsst ihn schmatzend auf die Wange, und dann gesellt Jo sich dazu und zerdrückt Daniels Hand in seiner sportgestählten Pranke.
Es ist zwanzig nach neun. Daniel schwört sich, vor zehn nicht nach Mick zu fragen.
Er lässt sich einen Glühwein holen. Lilli weicht nicht von seiner Seite und befragt ihn systematisch nach Neuigkeiten aus allen Lebensbereichen. Bereitwillig erzählt er von seinen täglichen Routinen, von der beeindruckenden Technik hinter der Fassade der Wasserwelten, von den Ersatz-Generatoren, die das gesamte Aquarienhaus im Notfall autonom betreiben können wie einen OP, von den Besuchern und der Kinder-Führung, die ihm seit einiger Zeit übertragen ist.
„Mein Chef hat mich gefragt, ob ich nicht einen Tauchschein machen wolle“, berichtet er. „Es muss immer mal jemand in die großen Becken, zum Scheibenreinigen, oder wenn etwas mit den Korallen ist.“
„Und?“
„Ich weiß nicht. Ich habe irgendwie ein blödes Gefühl bei dem Gedanken … mit dem Asthma und allem.“
„Geh doch zum Arzt und lass das mal abklären. Ich habe noch nie gehört, dass Tauchen für Asthmatiker verboten ist.“
„Mal sehen. Immerhin, so eine Anfrage lässt doch vermuten, dass er mich gerne behalten würde, wenn mein Vertrag endet, oder?“
„Unbedingt. Würdest du denn bleiben wollen?“
Daniel spürt das Lächeln, das in letzter Zeit ein häufiger Gast in seinen Mundwinkeln ist.
„Ich denke schon. Berlin ist … sagen wir, ich werde langsam warm. Es ist alles … offener. Man kann Arm in Arm gehen, oder in der U-Bahn Händchen halten, und niemand gafft oder stört sich dran. Ich glaube, hier in der Provinz möchte ich nicht auf Dauer schwul sein.“
„Hast du denn jemanden zum Händchenhalten?“
„Vielleicht. Womöglich. Und du? Was macht das Studium?“
Lilli zieht eine Grimasse.
„Stress. Mann, ich dachte, Abitur wäre stressig gewesen. Ich hatte ja keine Ahnung.“
Daniel nickt Anteil nehmend und lauscht Lillis Bericht. Medizin im ersten Semester, dazu das neue Leben weg von zu Hause, die Umstellung auf eine Wochenendbeziehung: sie ist vollauf beschäftigt, und er rechnet es ihr hoch an, dass sie ihn schon zweimal besucht hat, seit er in Berlin ist.
Dann kommt aus den Lautsprechern „Let there be Love“ von
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