Pink Christmas 2 (German Edition)
ich nichts erkennen. Vorsichtig setzte ich einen Fuß vor den nächsten und erschrak fast zu Tode, als ich im Augenwinkel mein eigenes Ebenbild im Spiegel über der Flurkommode sah. Mein Herzschlag beschleunigte sich kurz, beruhigte sich aber gleich darauf wieder.
Ich ging weiter zur Tür und umklammerte den Feuerhaken nur noch mit der rechten Hand, um mit der linken die Tür aufzuschließen. Leise und vorsichtig. Dann trat ich nach draußen in die Dunkelheit. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Film, als ich mir vorstellte, wie dämlich bewaffnet ich über die Veranda schlich. Ich schaute mich um. Doch weit und breit war nichts und niemand zu sehen. Mein Griff am Kaminbesteck lockerte sich. Aber nur kurz, denn kaum einen Augenblick später sprang plötzlich der Bewegungsmelder bei den Mülltonnen an. Die standen in der Einfahrt um die Ecke.
Vielleicht nur eine Katze , redete ich mir ein.
Hier streunten viele herum. Ich nahm die Feuerzange wieder in beide Hände und ging die Treppen der Veranda hinunter. Als die Bohlen an einer Stufe knatschten, biss ich mir brutal auf die Unterlippe. Dann schlich ich weiter. Schritt für Schritt. Die Geräusche wurden lauter und deutlicher. Es hörte sich an, als ob jemand in den Mülltonnen herumwühlte.
Vielleicht ein Mader, dachte ich.
Noch drei Schritte. Eins, zwei, …
Ich riss den Feuerhaken über meinen Kopf, bereit zuzuschlagen, wenn es nötig war.
Drei!
Doch kaum um die Ecke, lockerte sich mein Griff sofort.
„Was zum Teufel ..?“
Es verschlug mir die Sprache. Ich nahm das Werkzeug herunter und trat einen weiteren Schritt vorwärts.
„Was in Gottes Namen tust du hier?“, fragte ich. Mein Entsetzen war kaum zu überhören.
Vor mir stand Mark, mit beiden Händen zwischen Papier und Pappe in der blauen Tonne.
„Entschuldigen Sie!“, entgegnete er und klang dabei, als hätte er mich versehentlich angerempelt, nicht aber, als ob er mitten in der Nacht, an Weihnachten, in meinem privaten Müll herumwühlte.
„Was machst du hier? Es ist mitten in der Nacht.“ Ich holte tief Luft. „Meine Güte! Ich dachte, du wärst ein Einbrecher oder so was.“
„Ja, schlechtes Timing, ich weiß“, gestand Mark. „Aber ich such‘ was Wichtiges.“
„Du suchst was Wichtiges?“, fragte ich ungläubig. „Und das muss jetzt sein?“
Zwischen seinen Füßen lag Altpapier. Alte Quittungen, die letzte Fernsehzeitschrift und ein leerer Karton Früchtemüsli.
„Ja, ich …“, Er beugte sich wieder vor und begann weiter im Papier herumzuwühlen. Dadurch verstand ich ihn schlechter. „Ich hab‘ Ihnen doch diesen Karton dagelassen. Mit all den Sachen. Wo ist der hin?“
Ich konnte es nicht fassen. Was fiel dem Kerl ein?
Ich trat auf ihn zu und riss ihn von der Mülltonne weg.
„Jetzt hör gefälligst auf damit! Du hast hier nichts zu suchen! Das ist Privateigentum! Wenn Liz das mitkriegt …“
„Aber ich brauch‘ den Karton!“, entgegnete Mark. „Er muss weg. Alles muss weg.“
„Wovon redest du?“, fragte ich. Mark wirkte paranoid.
„Und wo sind die Filme?“, fragte er weiter. „Ich brauche die verdammten Filme!“
Irritiert sah ich ihn an. Was war mit ihm los?
„Hast du irgendwas verbrochen oder so?“, wollte ich wissen. „Oder hast du getrunken?“
Mark schüttelte den Kopf. „Nein, ich muss nur die Sachen wiederfinden, bevor Liz das tut.“
Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen und dachte nach.
Dann schlug ich vor: „Beruhig dich jetzt erst mal! Was hältst du davon, wenn du kurz mit reinkommst und einen Schluck Wasser trinkst.“
Ohne auf eine Antwort zu warten, zog ich ihn zu mir und schob ihn Richtung Veranda.
„Aber danach muss ich weitersuchen“, murmelte Mark. „Ich hätte die Sachen niemals hierlassen dürfen.“
Ja, dachte ich, besser wäre es gewesen. Dann wäre ich nicht auf irgendwelche dummen Ideen gekommen und hätte nicht mit Thomas gefickt.
Bei diesem Gedanken wurde mir erneut schlecht. Bis eben hatte ich die Erinnerung erfolgreich verdrängt. Doch nun holte sie mich ein wie eine Lawine. Mir wurde schwarz vor Augen. Ich tastete nach dem Verandageländer und hielt mich gut fest. Mark ging inzwischen rein. Im Flur blieb er stehen und schien auf mich zu warten. Erst in jenem Moment sah ich, dass er noch etwas Altpapier in der Hand hielt. Ich versuchte mich zu fangen und trat auf ihn zu. Dann riss ich ihm die alte Zeitung aus der Hand und nahm sie mit in die Küche, um sie dort wegzuwerfen und etwas Wasser für
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