Pink Christmas (German Edition)
fordert Mama und sieht mich dabei finster an.
„Manchmal ist es besser, die Dinge beim Namen zu nennen“, sagt Opa. Sein Gesicht ist vollkommen ernst.
„Aber nicht an Weihnachten“, beharrt meine Mutter.
„Für mich gibt es kein Weihnachten“, sage ich. „Weihnachten ist ein Kirchenfest und die Kirche ...“ Ich schlucke kurz. „... hasst Schwule.“ Da ist es raus. Schwule .
Für einen Moment ist es still. Dann kommt Oliver tatsächlich mit dem größten Schwachsinn an: „Nun ja, so ganz okay ist das ja auch nicht, immerhin steht in der Bibel, dass ... na ja, dass es verboten ist.“
Henris Arm hält mich wie ein Gurt, fast so, als müsse er befürchten, dass ich jeden Moment auf den Freund meiner Mutter losgehen könne.
Ich hole tief Luft. „Die Bibel ist ein ganz schön altes Buch, das man wahrscheinlich auf so viele Arten lesen kann, wie es Leser gibt. Was meinst du, weshalb die Kirche so ein Interesse daran hatte, dass sich nicht jeder Normalo selbst ein Bild machen kann?“
„Kann aber doch jetzt jeder.“ Oliver lächelt herausfordernd.
„Ja, darum kauft auch keiner mehr Ablassbriefe und der Laden verliert immer mehr an Macht und Einfluss.“
„Na also, worüber regst du dich auf?“
„Ich rege mich darüber auf, dass es noch immer Menschen gibt, die die Fehler der Kirche nicht als solche ansehen. Kaum einer weiß doch heutzutage, dass unser Staat die Kirche massenhaft mit Steuergeldern unterstützt, nur weil diese auf uralte Verträge besteht. Bist du in der Kirche? Nein. Aber du bezahlst trotzdem dafür. Angeblich hat man ein Recht auf Religionsfreiheit. Ein Recht, religions frei zu sein, gibt es aber nicht, weil man indirekt doch die Kirche unterstützt.“
„Aha“, macht Oliver gönnerhaft. „Darum hast du dich so lange vor einer Ausbildung gedrückt.“
„Ich zahle von meinem Ausbildungsgehalt keine Steuern. Gleitzone“, gebe ich zurück.
„Na dann ...“
„Das Problem ist nur, dass ihr die Kirche unterstützt. Ihr unterstützt ein System, das mir das Recht auf Liebe absprechen will. Ja, sogar Henri sorgt dafür, dass die Kirche an Geld kommt, obwohl die das Geld mitunter genau dafür einsetzt, um uns das Leben schwer zu machen.“
„Und wie sieht das aus?“
„Zum Beispiel, indem der Papst durch die Gegend fliegen kann und überall rumerzählen darf, was für eine Gefahr Homosexualität doch für die Gesellschaft ist. In manchen Ländern werden regelrecht Hetzkampagnen geführt, nur damit Schwule und Lesben nicht heiraten dürfen. In den USA droht die Kirche sogar damit, dass sie ihr Engagement für die Armen und Kinder einschränkt, wenn die Politik eine Öffnung der Ehe beschließen sollte. Kannst du dir das vorstellen? Angeblich sind schwule Ehen eine Gefahr für Kinder. Worin bitte soll denn diese Gefahr bestehen? Nur weil ich schwul bin, stehen noch lange keine Babys auf meiner Speisekarte! Aber trotzdem, um die Liebe , die ja angeblich das höchste Gut ist, zwischen zwei Männern zu unterbinden, ist die Kirche bereit, ihre eigene Nächstenliebe einzuschränken. Die Kirche droht damit, Waisenkinder auf die Straße zu setzen und Bedürftige nicht mehr zu unterstützen, wenn die Politik der Staaten gleiche Rechte für Homosexuelle beschließen sollte. Ist das nicht pervers?“ Ich schnaube. „Und dabei gibt es durchaus Rechnungen, die zeigen, dass die Kirche bei weitem nicht so gutmütig und großzügig ist. Das meiste zahlt nämlich noch immer der Staat. Und jetzt sag mir mal bitte, warum sich diejenigen, die angeblich mit göttlicher Liebe gesegnet sind, nicht darauf konzentrieren, was eigentlich ihr Amt ist, sondern lieber einen Krieg gegen unschuldige Menschen führen?“
„Na ja, unschuldig ...“, lächelt Oliver mit einem verächtlichen Blick.
„Ja, unschuldig!“, halte ich lautstark dagegen. „Bei mir wird niemand zum Sex gezwungen, ganz im Gegensatz zu so manchem Pfaffen, der vor lauter Kirchenvorschriften gar nicht mehr anders kann, als sich an Kindern zu vergehen.“
Meine Mutter schnappt nach Luft.
„Da hat er wohl recht“, stimmt Dennis zu.
Oliver guckt uns böse an. „Sieht man nicht genau daran, dass die Kirche ganz richtig liegt?“
„Was willst du damit sagen?“, fauche ich ihn an.
„Na, dass es vielleicht richtig ist, keine Schwulen in der Kirche haben zu wollen.“
Ich lache verzweifelt auf. „Das ist Diskriminierung! Kein anderer Arbeitgeber darf sich so was erlauben! Und der Papst lenkt natürlich in seinen Reden ganz
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