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Pippi Langstrumpf

Pippi Langstrumpf

Titel: Pippi Langstrumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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nicht“, sagte das Mädchen böse.
    „Da hat er Glück“, sagte Pippi und spuckte ein Kerngehäuse aus.
    Das Mädchen lief eilig weiter, aber da rief Pippi:
    „Hat er unnatürlich große Ohren, die bis zu den Schultern reichen?“
    „Nein“, sagte das Mädchen und drehte sich erstaunt um. „Du willst doch nicht behaupten, daß du einen Mann mit so großen Ohren hast vorbeigehen sehen?“
    „Ich hab’ niemals jemand gesehen, der mit den Ohren geht.
    Alle, die ich kenne, gehen mit den Füßen.“
    „Ach, wie dumm du bist! Ich meine, hast du wirklich einen Mann gesehen, der so große Ohren hat?“
    „Nee“, sagte Pippi, „es gibt keinen Menschen, der so große Ohren hat. Das wäre ja komisch. Wie würde das aussehen?
    Man kann nicht so große Ohren haben. Wenigstens nicht hier in diesem Land“, fügte sie nach einer gedankenvollen Pause hinzu. „In China ist das ja etwas anderes. Ich sah einmal in Shanghai einen Chinesen. Seine Ohren waren so groß, daß er sie als Pelerine benutzen konnte. Wenn es regnete, kroch er nur unter die Ohren und hatte es so warm und schön, wie man es sich nur denken kann. Obwohl die Ohren es auch ganz gemütlich hatten. Wenn besonders schlechtes Wetter war, lud er seine Freunde und Bekannten ein, sich unter seine Ohren zu legen. Da saßen sie dann und sangen ihre schwermütigen Lieder, während es oben regnete. Sie hatten ihn seiner Ohren wegen sehr gern. Hai Shang hieß er. Ihr hättet nur sehen sollen, wenn Hai Shang am Morgen zu seiner Arbeit lief. Er kam immer in der letzten Minute angerannt, denn er schlief so gern lange, und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie hübsch das aussah, wenn er angesaust kam und die Ohren wie zwei große gelbe Segel hinter ihm her flatterten.“
    Das Mädchen war stehengeblieben und hörte Pippi mit offenem Mund zu. Und Thomas und Annika konnten nicht 42

    mehr weiteressen, sie waren vollauf damit beschäftigt, zuzuhören.
    „Er hatte mehr Kinder, als er zählen konnte, und das kleinste hieß Peter“, sagte Pippi.
    „Ja, aber ein Chinesenkind kann doch nicht Peter heißen“, wandte Thomas ein.
    „Das hat seine Frau auch zu ihm gesagt. ,Ein Chinesenkind kann doch nicht Peter heißen‘, sagte sie. Aber Hai Shang war so furchtbar eigensinnig, und er sagte, das Kind solle entweder Peter heißen oder gar nicht. Und dann setzte er sich in eine Ecke und zog die Ohren über den Kopf und schmollte. Und da mußte seine arme Frau natürlich nachgeben, und das Kind bekam den Namen Peter.“
    „Ach so“, sagte Annika.
    „Ach so“, sagte auch Thomas.
    „Das war das schwierigste Kind, das es in ganz Shanghai gab“, fuhr Pippi fort. „Nörglig mit dem Essen, so daß die Mutter ganz unglücklich war. Ihr wißt ja, daß man in China Schwalbennester ißt? Und da saß die Mutter mit einem ganzen Teller voller Schwalbennester und wollte ihn füttern. ,So, Peterlein‘, sagte sie, ,Jetzt essen wir ein Schwalbennest für Vater.‘ Aber Peter kniff bloß seinen Mund zusammen und schüttelte den Kopf. Schließlich wurde Hai Shang so böse, daß er sagte, Peter sollte kein anderes Essen kriegen, bevor er nicht ein Schwalbennest für den Vater gegessen hätte. Und wenn Hai Shang etwas gesagt hatte, so blieb es dabei. Von Mai bis Oktober ging das Schwalbennest zur Küche raus und wieder rein. Am 14. Juli bettelte die Mutter, ob sie Peter nicht ein paar Fleischklöße geben dürfe, aber Hai Shang sagte nein.“
    „Solche Dummheiten“, sagte das Mädchen auf der Straße.
    „Ja, das hat Hai Shang auch gesagt“, fuhr Pippi fort.
    „,Dummheiten‘, hat er gesagt, ,es ist klar, daß der Junge das Schwalbennest essen kann, wenn er bloß aufhört, so störrisch zu sein.‘ Aber Peter kniff nur die ganze Zeit von Mai bis 43

    Oktober den Mund zusammen.“
    „Ja, aber wie konnte er da leben?“ fragte Thomas verwundert.
    „Er konnte nicht leben“, sagte Pippi. „Er starb. Aus reinem Trotz. Am 18. Oktober. Und er wurde am 19. begraben. Und am 20. kam eine Schwalbe durchs Fenster geflogen und legte ein Ei in das Schwalbennest, das auf dem Tisch lag. So wurde es jedenfalls noch zu etwas nütze. Kein Schaden war geschehen“, sagte Pippi fröhlich. Dann sah sie bedächtig das Mädchen an, das ganz verwirrt dastand.
    „Wie merkwürdig du aussiehst“, sagte Pippi. „Wasist los?
    Du glaubst wohl, daß ich hier sitze und lüge? Was? Dann sag es nur“, sagte Pippi drohend und krempelte die Ärmel hoch.
    „Nein, keinesfalls“, sagte das Mädchen erschrocken.

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