Pippi Langstrumpf
bleibt draußen, wie ihr wollt“, rief Pippi. „Ich zwinge niemanden.“
Die Tür ging auf, und die beiden Landstreicher kamen herein. Es ist nicht schwer zu raten, ob sie große Augen machten, als sie ein kleines rothaariges Mädchen ganz allein auf dem Fußboden sitzen und Geld zählen sahen.
„Bist du allein zu Hause?“ fragten sie listig.
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„Durchaus nicht“, sagte Pippi. „Herr Nilsson ist auch zu Hause.“
Die Diebe konnten ja nicht gut wissen, daß Herr Nilsson ein kleiner Affe war, der gerade in seinem grünbemalten Bett lag und, mit einer Puppendecke zugedeckt, schlief. Sie glaubten, daß es der Hausherr war, der Nilsson hieß, und sie blinzelten sich vielsagend zu.
Wir können etwas später zurückkommen, meinten sie mit dem Blinzeln, aber zu Pippi sagten sie:
„Ja, wir kamen bloß rein, um zu fragen, was die Uhr ist.“
Sie waren so eifrig, daß sie nicht mehr an Butterbrote dachten.
„Solche großen, starken Kerle, wie ihr seid, und wißt nicht, was die Uhr ist!“ sagte Pippi. „Was habt ihr eigentlich für eine Art Erziehung bekommen? Die Uhr ist ein kleines, rundes Ding, das tick-tack sagt und das geht und geht und niemals bis zur Tür kommt. Wenn ihr mehr Rätsel wißt, dann nur raus damit“, sagte Pippi ermunternd.
Die Landstreicher glaubten, daß Pippi zu klein war, um die Uhr zu kennen, sie drehten sich ohne ein Wort um und gingen wieder hinaus.
„Ich verlange nicht, daß ihr besonders höflich seid, aber ihr könntet wenigstens ,danke‘ sagen!“ schrie Pippi ihnen nach.
„Ziehet hin in Frieden!“ Und sie ging wieder zu ihrem Geld zurück.
Glücklich wieder draußen, rieben die Landstreicher sich vergnügt die Hände.
„Hast du das viele Geld gesehen? Du lieber Himmel!“ sagte der eine.
„Ja, manchmal hat man Glück“, sagte der andere. „Das einzige, was wir zu tun haben, ist, zu warten, bis das Mädchen und dieser Herr Nilsson schlafen. Dann schleichen wir uns rein und beschlagnahmen alles zusammen.“
Sie setzten sich unter eine Eiche im Garten und warteten. Es 68
regnete, und sie waren sehr hungrig. Es war also eigentlich sehr ungemütlich, aber der Gedanke an das viele Geld hielt sie bei guter Laune.
In allen anderen Villen wurden nach und nach die Lichter gelöscht, aber aus der Villa Kunterbunt schien noch Licht.
Pippi war nämlich dabei, Schottisch tanzen zu lernen, und sie wollte nicht eher zu Bett gehen, bevor sie nicht sicher war, daß sie es wirklich konnte.
Schließlich wurde es auch in der Villa Kunterbunt dunkel.
Die Landstreicher warteten noch eine Weile, um sicher zu sein, daß Herr Nilsson eingeschlafen war. Aber dann schlichen sie sich zum Kücheneingang und machten sich bereit, die Tür mit ihren Einbruchswerkzeugen zu öffnen. Der eine von ihnen
– er hieß übrigens Blom – faßte aber ganz zufällig die Klinke an: Die Tür war nicht verschlossen.
„Man sollte glauben, die Leute haben keinen Verstand“, flüsterte er seinem Kameraden zu. „Die Tür ist, weiß Gott, offen!“
„Um so besser für uns“, antwortete sein Kamerad, ein schwarzhaariger Kerl, der von denen, die ihn kannten, Donner-Karlsson genannt wurde.
Donner-Karlsson schaltete seine Taschenlampe ein, und sie schlichen sich in die Küche. Da war niemand. Im Zimmer nebenan stand Pippis Bett, und da stand auch Herrn Nilssons Puppenbett.
Donner-Karlsson öffnete die Tür und schaute vorsichtig hinein. Da war es ruhig und still, und er leuchtete mit seiner Taschenlampe ringsumher. Als der Lichtstrahl Pippis Bett traf, sahen die beiden Landstreicher zu ihrem Erstaunen nichts anderes als ein Paar Füße, die auf dem Kopfkissen lagen. Pippi hatte wie gewöhnlich den Kopf unter der Decke am Fußende des Bettes.
Sie schlichen hinein.
„Das muß das Mädchen sein“, flüsterte Donner-Karlsson 69
seinem Kameraden Blom zu. „Und sie schläft sicher fest. Aber wo mag Nilsson sein?“
„ Herr Nilsson, wenn ich bitten darf“, hörte man Pippis ruhige Stimme unter der Decke. „Herr Nilsson liegt in dem kleinen grünen Puppenbett.“
Die Landstreicher erschraken so, daß sie nahe daran waren, sofort wieder hinauszulaufen. Aber dann fiel ihnen ein, was Pippi gesagt hatte – daß Herr Nilsson im Puppenbett lag. Im Schein der Taschenlampe sahen sie auch das Puppenbett und den kleinen Affen, der darin lag. Donner-Karlsson konnte nicht anders, er mußte lachen.
„Blom“, sagte er, „Herr Nilsson ist ein kleiner Affe!
Hahaha!“
„Ja, was hast du denn sonst
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