Pippi Langstrumpf
hereinzukommen.“
Dann lief sie zu den anderen Damen hin und küßte sie auf die Wangen.
„Scharmangt, scharmangt, auf Ehre“, sagte sie, denn das hatte sie einmal einen feinen Herrn zu einer Dame sagen hören.
Und dann setzte sie sich hin.
Frau Settergren hatte gedacht, daß die Kinder sich oben in Thomas’ und Annikas Zimmer aufhalten sollten, aber Pippi blieb ruhig sitzen, schlug sich auf die Knie und sagte mit einem Blick auf den Kaffeetisch:
„Das sieht ja wirklich gut aus! Wann fangen wir an?“
In diesem Augenblick kam Ella, die Hausangestellte der Familie, mit der Kaffeekanne, und Frau Settergren sagte:
„Bitte sehr!“
„Erster!“ schrie Pippi und war in zwei Sätzen am Tisch. Sie häufte so viele Kuchenstücke, wie sie nur erwischen konnte, auf ihren Teller, warf fünf Zuckerstücke in eine Kaffeetasse, leerte die halbe Sahnenkanne in die Tasse und zog sich dann mit ihrem Raub auf ihren Stuhl zurück, noch bevor die Damen sich hatten an den Tisch setzen können.
Pippi streckte die Beine aus und stellte den Kuchenteller zwischen ihre Zehenspitzen. Sie stopfte sich den Mund so voll mit Kuchen, daß sie kein Wort hervorbringen konnte, so sehr sie es auch versuchte. Im Nu hatte sie den Kuchen von ihrem Teller vertilgt. Sie stand auf, schlug auf den Teller wie auf ein Tamburin und ging zum Tisch hin, um zu sehen, ob noch Kuchen übrig war. Die Damen sahen sie mißbilligend an, aber sie merkte es nicht. Lustig plaudernd ging sie um den Tisch herum und nahm da ein Stück Kuchen und dort eines.
76
„Das war wirklich nett, mich einzuladen“, sagte sie. „Ich freue mich so sehr, denn ich bin niemals vorher bei einem Kaffeekränzchen gewesen.“
Auf dem Tisch stand eine große Sahnentorte. In deren Mitte lag ein rotes Konfektstück. Pippi stand mit den Händen auf dem Rücken und sah es an. Plötzlich beugte sie sich hinunter und hieb ihre Zähne in das Konfektstück. Aber sie war etwas zu schnell untergetaucht, und als sie wieder hochkam, war ihr Gesicht ganz mit Sahne zugemauert.
Thomas und Annika saßen da und starrten Pippi erschrocken an.
„Hahaha“, lachte Pippi, „jetzt können wir Blindekuh spielen.
Hier haben wir die blinde Kuh gratis. Ich kann nicht das kleinste bißchen sehen!“
Sie steckte die Zunge heraus und leckte die ganze Sahne fort.
„Das war ja ein schreckliches Unglück“, sagte sie. „Aber die Torte ist doch futsch; dann kann ich sie ebensogut ganz aufessen.“
Und das tat sie. Sie ging mit dem Tortenheber auf die Torte los, die in kurzer Zeit verschwunden war.
Pippi klopfte sich zufrieden auf den Bauch. Frau Settergren war gerade draußen in der Küche und wußte nichts von dem Unglück mit der Torte. Aber die anderen Damen sahen Pippi sehr streng an. Sie hätten auch gern etwas von der Torte gehabt. Pippi merkte, daß sie sehr mißvergnügt aussahen, und sie beschloß, sie etwas aufzumuntern.
„Nun müssen Sie aber wegen so eines kleinen Unglücksfalles nicht traurig sein“, sagte sie tröstend. „Die Hauptsache ist, man ist gesund. Und beim Kaffeekränzchen soll man sich amüsieren.“
Sie nahm den Zuckerstreuer vom Tisch und ließ eine ganze Menge Zucker auf den Fußboden rieseln.
„Denken Sie daran: Das hier ist Streuzucker“, sagte sie. „Ich bin also in vollem Recht. Wozu hat man denn Streuzucker, 77
wenn man ihn nicht streuen soll? Das möchte ich gern wissen.“
„Haben Sie schon mal gemerkt, wie ulkig es ist, auf einem Fußboden zu gehen, auf dem Streuzucker liegt?“ fragte sie die Damen.
„Noch lustiger ist es natürlich, wenn man barfuß geht“, fuhr sie fort und riß sich Strümpfe und Schuhe ab. „Ich glaube, Sie sollten es auch versuchen, denn was Lustigeres kann man sich nicht vorstellen, das können Sie mir glauben.“
Aber jetzt kam Frau Settergren herein, und als sie den verschütteten Zucker sah, faßte sie Pippi hart am Arm und führte sie zum Sofa zu Thomas und Annika. Dann ging sie zu den Damen und bot ihnen mehr Kaffee an. Daß die Torte verschwunden war, freute sie nur, sie glaubte, sie hätte ihren Gästen so gut geschmeckt, daß sie alles aufgegessen hatten.
Pippi, Thomas und Annika plauderten ruhig auf dem Sofa.
Das Feuer prasselte im Kamin. Die Damen tranken mehr Kaffee, und alles war wieder ruhig und friedlich. Und wie es mitunter bei Kaffeekränzchen geschieht, fingen die Damen an, von ihren Hausangestellten zu reden. Es waren gerade keine besonders guten Hausangestellten, die sie bekommen hatten, denn sie
Weitere Kostenlose Bücher