Pippi Langstrumpf
die Knie, und wenn sie richtig sprang, spritzte es bis hinauf zu Thomas und Annika.
„Ich spiele, daß ich ein Schiff bin“, sagte sie und pflügte vorwärts durch das Wasser. Gerade, als sie das gesagt hatte, stolperte sie und tauchte unter.
„Ein Unterseeboot, muß es richtiger heißen“, fuhr sie unbekümmert fort, als sie mit der Nase wieder hoch kam.
„Nein, aber Pippi, du bist ja vollständig naß“, sagte Annika ängstlich.
„Was ist denn da Schlimmes dabei?“ sagte Pippi. „Wer hat gesagt, daß Kinder unbedingt trocken sein müssen? Kalte Abreibungen sind ja so gesund, habe ich sagen hören. Nur hierzulande redet man sich ein, daß Kinder nicht in Gräben gehen dürfen. In Amerika sind die Gräben so gepfropft voll mit Kindern, daß das Wasser kaum noch Platz hat. Die bleiben das ganze Jahr drin. Im Winter frieren sie natürlich fest, und die Köpfe gucken aus dem Eis heraus. Die Mütter müssen hingehen und ihnen Suppe und Fleisch bringen, denn sie können ja nicht zum Mittagessen nach Hause kommen. Aber die sind gesund wie Nußkerne, da könnt ihr sicher sein.“
Die kleine Stadt sah sehr gemütlich aus in der
Frühlingssonne. Die schmalen, mit Steinen gepflasterten Straßen schlängelten sich zwischen den Häusern entlang. In den kleinen Gärten, die fast alle Häuser umgaben, blühten 109
Schneeglöckchen und Krokus. Es gab viele Geschäfte in der kleinen Stadt. An diesem schönen Frühlingstag waren viele Menschen unterwegs, die durch die Türen aus und ein gingen, und die Geschäftsklingeln läuteten unaufhörlich. Frauen kamen mit Körben an den Armen, um Kaffee und Zucker und Butter und Seife zu kaufen. Eine Menge Kinder der kleinen Stadt waren auch unterwegs, um sich Bonbons oder ein Päckchen Kaugummi zu kaufen. Aber die allermeisten hatten kein Geld, und die Ärmsten mußten vor den Läden stehen und konnten alle Näschereien, die hinter den Schaufenstern lagen, nur anschauen.
Gerade als die Sonne am allerschönsten schien, tauchten drei kleine Gestalten in der Hauptstraße auf. Das waren Thomas und Annika und Pippi, eine sehr nasse Pippi, die da, wo sie entlang ging, einen kleinen nassen Streifen hinter sich ließ.
„Wie glücklich sind wir dran!“ sagte Annika. „Seht doch die vielen Läden, und wir haben eine ganze Schürzentasche voll mit Goldstücken!“
Thomas freute sich auch so sehr darüber, daß er einen hohen Sprung machte.
„Tja, wollen wir nicht anfangen?“ sagte Pippi. „Vor allen Dingen möchte ich mir ein Klavier kaufen.“
„Ja, aber Pippi“, sagte Thomas. „Du kannst ja wohl nicht Klavier spielen!“
„Wie soll ich das wissen, wenn ich es noch nie versucht habe?“ sagte Pippi. „Ich habe niemals ein Klavier gehabt, auf dem ich es probieren konnte. Und das will ich dir sagen, Thomas, Klavier spielen ohne Klavier, dazu braucht man eine ungeheure Übung, bis man es kann.“
Ein Klaviergeschäft war nirgends zu sehen. Statt dessen kamen die Kinder an einem Parfümgeschäft vorbei. Im Schaufenster stand eine große Dose Sommersprossensalbe.
Neben der Dose war ein Pappschild, auf dem stand: „Leiden Sie an Sommersprossen?“
110
„Was steht auf dem Schild?“ fragte Pippi. Sie konnte nicht besonders gut lesen, denn sie wollte nicht wie andere Kinder in die Schule gehen.
„Da steht: ,Leiden Sie an Sommersprossen?‘“ sagte Annika.
„Ja, tatsächlich“, sagte Pippi nachdenklich. „Na ja, eine höfliche Frage verlangt eine höfliche Antwort. Kommt, wir wollen reingehen.“
Sie machte die Tür auf und ging hinein. Dicht hinter ihr kamen Thomas und Annika. Hinter dem Ladentisch stand eine ältere Dame. Pippi ging direkt auf sie zu.
„Nein“, sagte sie bestimmt.
„Was möchtest du haben?“ fragte die Dame.
„Nein“, sagte Pippi noch einmal.
„Ich verstehe nicht, was du meinst“, sagte die Dame.
„Nein, ich leide nicht an Sommersprossen“, sagte Pippi. Jetzt verstand die Dame. Sie warf einen Blick auf Pippi und stieß hervor:
„Ja, aber liebes Kind, du hast ja das ganze Gesicht voll Sommersprossen!“
„Ja, gewiß“, sagte Pippi, „aber ich leide nicht an ihnen. Ich habe sie gern. Guten Morgen!“
Sie ging wieder hinaus. In der Tür drehte sie sich um und rief:
„Aber wenn Sie vielleicht irgendwelches Zeug herein-bekommen sollten, von dem man noch mehr Sommersprossen kriegt, dann können Sie mir sieben bis acht Dosen zuschicken.“
Neben dem Parfümgeschäft war ein Laden, in dem es Damenkleidung zu kaufen
Weitere Kostenlose Bücher