Pippi Langstrumpf
ein Teil der Taka-Tuka-Bewohner etwas von seiner Sprache gelernt hatte. Natürlich wußten sie nicht, was solche schweren Wörter wie „Postnachnahme“ und
„Generalmajor“ bedeuteten, aber eine ganze Menge hatten sie jedenfalls aufgeschnappt. Sogar die Kinder kannten die gebräuchlichsten Ausdrücke, wie zum Beispiel „laß das sein“
und Ähnliches. Ein kleiner Junge, der Momo hieß, konnte die Sprache der Weißen sogar sehr gut sprechen, denn er hielt sich oft unten an den Hütten der Besatzungsmannschaft auf und hörte zu, wie die Männer sich unterhielten. Ein kleines, reizendes schwarzes Mädchen, die Moana hieß, war auch nicht auf den Kopf gefallen.
Momo versuchte, Pippi zu erklären, warum sie vor ihr auf den Knien lagen.
„Du ein feine weiße Prinzessin bist“, sagte er.
„Ich gar nicht ein feine weiße Prinzessin bin“, sagte Pippi in gebrochener Taka-Tuka-Sprache. „Ich einfach bin bloß Pippi Langstrumpf, und ich pfeifen auf das Thronsitzen.“
Sie sprang vom Thron herunter. Und das tat König Efraim auch, denn er war jetzt fertig mit den Regierungsgeschäften.
Die Sonne sank wie ein roter Ball in die Südsee, und bald erstrahlte der Himmel voller Sterne. Die Taka-Tuka-Leute entzündeten ein riesiges Lagerfeuer auf dem Regierungsplatz, und König Efraim und Pippi und Thomas und Annika und die Besatzungsmannschaft der Hoppetosse ließen sich auf dem Rasen nieder und schauten zu, wie die Inselbewohner um das Feuer tanzten. Das dumpfe Dröhnen der Trommeln, der 243
merkwürdige Tanz, der seltsame Duft Tausender unbekannter Blumen drinnen im Dschungel, der blitzende Sternenhimmel über ihren Köpfen – das alles war so, daß es Thomas und Annika ganz merkwürdig zumute wurde. Das ewige Rauschen des weiten Meeres hörte man wie eine mächtige Begleitmusik dazu.
„Ich glaube, das hier ist eine sehr schöne Insel“, sagte Thomas später, als Pippi und Annika und er in ihrer kleinen, gemütlichen Hütte unter der Kokospalme zu Bett gegangen waren.
„Das finde ich auch“, sagte Annika. „Findest du das nicht auch, Pippi?“
Aber Pippi lag stumm da, mit den Füßen auf dem
Kopfkissen, wie es ihre Gewohnheit war.
„Hört ihr die Brandung des Ozeans?“ fragte sie träumerisch.
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Pippi redet ein vernünftiges Wort mit einem Hai
Sehr früh am nächsten Morgen krochen Pippi und Thomas und Annika aus der Hütte. Aber noch früher waren die TakaTuka-Kinder wach. Sie saßen schon voller Spannung unter der Kokospalme und warteten darauf, daß die weißen Kinder herauskommen und mit ihnen spielen sollten. Sie plauderten takatukanisch mit großer Fertigkeit und lachten, daß die weißen Zähne in ihren schwarzen Gesichtern blitzten.
Die ganze Kinderschar begab sich, mit Pippi an der Spitze, zum Strand hinunter. Thomas und Annika machten
Luftsprünge vor Begeisterung, als sie den feinen, weißen Sand sahen, in den man sich eingraben konnte, und das blaue Meer, das so einladend aussah. Ein Korallenriff ein Stück außerhalb der Insel diente als Wellenbrecher. Zwischen dem Riff und der Insel lag das Meer still und spiegelblank. Alle Kinder, die weißen und die schwarzen, nahmen ihre Schurze ab und stürzten sich schreiend und lachend ins Wasser.
Danach rollten sie sich in dem weißen Sand, und Pippi und Thomas und Annika waren sich darüber einig, daß es viel besser wäre, wenn sie auch eine schwarze Haut hätten, denn es sah so lustig aus mit dem weißen Sand auf dem schwarzen Grund. Aber als Pippi sich bis zum Hals im Sand eingegraben hatte, so daß nur ein sommersprossiges Gesicht und zwei rote Zöpfe hervorguckten, sah das nun auch ganz lustig aus. Alle Kinder setzten sich um sie herum, um mit ihr zu plaudern.
„Erzähl von weiße Kinder in Land von weiße Kinder“, sagte Momo zu dem sommersprossigen Gesicht.
„Weiße Kinder lieben Plutimikation“, sagte Pippi.
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„Multiplikation heißt es“, sagte Annika. „Und übrigens“, fuhr sie in beleidigtem Ton fort, „kann man wohl nicht direkt behaupten, daß wir sie lieben.“
„Weiße Kinder lieben Plutimikation“, versicherte Pippi eigensinnig. „Weiße Kinder ganz verrückt werden, wenn weiße Kinder nicht jeden Tag bekommen eine große Portion Plutimikation.“
Sie konnte nicht mehr weiterreden in gebrochenem Takatukanisch und ging zu ihrer eigenen Sprache über.
„Wenn man ein weißes Kind weinen hört, dann kann man sicher sein, daß die Schule abgebrannt ist oder daß Scheuerferien ausgebrochen sind oder
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