Pirat des Herzens
hatte.«
Mary blickte sie durchdringend an. »Ich frage dich, mein Kind, warum soll ein mächtiger und reicher Mann wie Liam einen kleinen französischen Frachter kapern, ein Schiff mit wertloser Ladung?«
»Ich weiß es nicht.«
Nun lächelte Mary wieder. »Weil die Ladung zwar für die Welt wertlos war, Katherine, nicht aber für ihn. Für Liam war die Ladung von unschätzbarem Wert.«
Katherine begriff immer noch nicht.
»Katherine, du warst auf diesem Schiff - und mein Sohn wollte dich.«
Mary mußte sich irren, überlegte Katherine. Denn Liam hatte damals noch gar nichts von ihrer Existenz gewußt. Doch plötzlich stellte sie sich die Frage: Stimmte das?
36
Januar, 1573
Liam stand auf dem Vordeck und suchte mit dem Fernglas den schäumenden Atlantik ab. Er segelte einem gewaltigen Wintersturm entgegen. Doch er wollte nicht umkehren, um die Sicherheit eines schützenden Hafens aufzusuchen. Nicht, bevor er die Identität des Schiffes ausgemacht hatte, das der Wachtposten vor Stunden entdeckt hatte, ein Schiff, das Kurs auf Südirland hielt.
Seit drei Monaten kreuzte Liam in den Küstengewässern der grünen Insel und verhinderte, daß FitzMaurice mit Nachschub versorgt wurde. Vor kurzem hatte man ihm berichtet, daß die Rebellen nur noch ein verlotterter, ausgehungerter Haufen seien und sich in den zerklüfteten Bergen von Kerry versteckten. In regelmäßigen Abständen überfielen sie Dörfer und raubten alles Eßbare, das sie finden konnten, und überließen die Bewohner dem sicheren Hungerstod - im übrigen auch die Iren; Männer, Frauen und Kinder, unschuldige Opfer dieses aufreibenden Krieges.
Es war ein abscheuliches Geschäft.
Liam mußte sich gegen Gefühle des Mitleids für FitzMaurice und seine Männer wehren. Er konnte die Hungersnot nicht verhindern, die in Südirland wütete; eine Folge jahrelang marodierender Banden von irischen Rebellen und englischen Soldaten. Er mußte FitzMaurice zu Fall bringen.
Bald hatte Liam die Identität des kleinen Schiffes festgestellt, das vor ihm herjagte. Es kam aus Schottland. Lächelnd ließ er das Fernglas sinken und befahl, die Sea Dagger zu wenden und die nächste Bucht anzulaufen.
Die schottische Ladung sollte FitzMaurice erreichen. Die Schotten wußten nicht, daß das Schießpulver, das sie geladen hatten, unbrauchbar war. Es würde nicht explodieren und sämtliche Musketen, die damit geladen wurden, unbrauchbar machen. FitzMaurice brauchte die Munition dringend, ebenso dringend wie Lebensmittel, die ihm verwehrt wurden.
Die Sea Dagger pflügte die rauhe See und jagte dem drohenden Wintersturm davon.
Richmond - 1. März 1573
Sir John Perrots Bote war noch ein halbes Kind. Seine rote Uniform war lehmverkrustet und zerrissen. Keuchend und zu Tode erschöpft, stand er vor der Königin. »Eure Majestät, der Präsident von Munster schickt Euch diese Botschaft«, stammelte er atemlos und reichte Elisabeth eine versiegelte Pergamentrolle.
Die Königin kannte den Inhalt der Botschaft bereits. Gerüchte verbreiteten sich schneller, als ein Bote reiten konnte. Sie brach das Siegel mit klopfendem Herzen, las die drei Zeilen und hob den Kopf. »Es ist wahr«, rief sie. »FitzMaurice hat sich vor einem Monat Sir John in Kilmallock ergeben.«
»Ja«, nickte der Bursche. »Und er bot ein trauriges Bild. Abgemagert und blaß und halbnackt.«
Elisabeth warf den Kopf in den Nacken und lachte laut.
Leicester trat neben sie und schlang einen Arm um ihre Taille. »Welch wunderbare Nachricht!«
Sie umarmte ihn kurz und heftig. »Ja! Endlich ein papistischer Verräter weniger!« Sie las die letzte Zeile des Schreibens noch einmal. Perrot schrieb, daß Liam O’Neill eine sehr wichtige Rolle zugekommen sei, als es darum ging, den Rebellen in die Knie zu zwingen. Ihr goldener Pirat hatte sie diesmal nicht betrogen.
Elisabeth entließ den Boten. Cecil gab ihr durch Blicke zu verstehen, daß er mit ihr sprechen wollte. Sie seufzte. Konnte er nicht einfach diesen Triumph genießen? »William?«
»Wir haben wichtige Dinge zu besprechen«, murmelte Cecil.
Leicester trat neben die Königin und lächelte Cecil herausfordernd an.
»Sprecht! Ich habe vor Robin keine Geheimnisse.« Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Ich werde heute abend mit ihm speisen.«
Leicesters Miene erhellte sich. »Ihr macht mich zum glücklichsten Mann der Welt, liebste Bess«, murmelte er geschmeichelt.
Cecil reagierte verärgert auf die Koketterie. »Südirland ist ohne Führer. Wir
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