Piratenblut
Meer gesehen haben. Sie werden unserer Erzählung von der kommenden Seemacht Preußen Glauben schenken müssen.« Alle waren einverstanden. Die Spanier, die Engländer, die Franzosen, Italiener, Irländer und anderen Fahrens-leute, aus denen sich die Mannschaften der drei Schiffe zusammensetzten, hatten wenig von diesem Staat in Mitteleuropa gehört. Deshalb lehnte sich auch niemand gegen die Verwendung der schwarz-weißen Flagge auf. Die meisten kannten sie gar nicht.
Die Schiffshandwerker hatten nach Michels Angaben im Nu drei Fahnen hergestellt. Die Schiffe legten sich Bord an Bord und übernahmen die vom Teer noch klebrigen Fahnen.
Ein paar Stunden später liefen zur Verwunderung der niederländischen Hafenbehörden drei Schiffe unter den preußischen Farben in den Hafen von Banda ein. Das heißt, sie ankerten vor dem eigentlichen Becken, das gar nicht über genügend Kaianlagen verfügte.
Als sich die Boote mit den Kapitänen der Schiffe dem Kai näherten, ließ der aufgeregte Hafenkommandant, ein kleiner, dicker, rotgesichtiger Holländer, seine »Seepolizei« antreten. Die ganze Streitmacht bestand aus acht Mann, von denen jeder einzelne gleichzeitig einen Büroposten im Schiffahrtsamt bekleidete.
Die regulären Truppen in den beiden Forts nahmen von der Ankunft von Schiffen keine besondere Notiz; denn der Verkehr mit den berühmten Muskatnußinseln war ziemlich rege. Als erster kam der Pfeifer an Land. Ein Schwall niederländischer Begrüßungsworte ergoß sich über ihn. Und obwohl die dem Plattdeutschen ähnelnden Laute vertraut klangen, verstand Michel kein Wort. »Do you speak English?« fragte er. »Yes«, strahlte ihn der kleine Dicke an.
»Well«, sagte Michel. »Wir sind die erste staatliche Handelsflotte Preußens und möchten mit Euch Handel treiben. Da wir noch keine erfahrenen Kaufleute sind — Ihr wißt sicher, daß Preußen bisher nicht zu den seefahrenden Nationen gehörte —, so hätten wir gern Ratschläge von erfahrenen Männern, wie ihr Niederländer es zweifelsohne seid.
Mynheer van Straaten strahlte immer mehr. Wenn er Geschäfte witterte, erwachte er aus seinem traumverlorenen Dasein auf der kleinen Insel.
Mynheer van Straaten war nicht nur Hafenkommandant, sondern nebenher auch noch Handelsmakler. Alle großen Geschäfte gingen durch seine Hände. Die Pflanzer waren froh, daß sie sich mit so vertrackten Dingen wie Valutaberechnung, Börsenkursen und Weltmarktpreisen nicht auseinandersetzen mußten. Sie zahlten an Mynheer van Straaten gerne die ansehnlichen Provisionen, die dieser verlangte.
»Willkommen, willkommen«, sagte van Straaten jetzt auf deutsch. »Wenn Sie aus Preußen kommen, so verstehen Sie ja sicher Deutsch«, setzte er weise hinzu.
Der Pfeifer freute sich, wieder einmal die vertrauten Mutterlaute zu vernehmen.
»Haben Sie hier einen Raum, ein Restaurant oder ein Hotel, wo man bei einer guten Flasche Wein verhandeln kann?«
»Oh, ja, natürlich, Herr Admiral«, meinte van Straaten. »Ich werde alle Pflanzer
zusammenrufen. Wir können uns dann im Hotel »Den Haag« an einem Abend treffen und die Geschäfte besprechen. Es wird einen Sturm auf der Insel geben, wenn man hört, daß die ganze preußische Handelsflotte nach Banda gekommen ist.«
»Gut«, sagte Michel, »dann berufen Sie Ihre Versammlung für heute abend ein.«
»Wollen Sie im Hotel wohnen oder bleiben Sie auf dem Schiff?« »Wir bleiben auf den Schiffen.«
Kurz darauf versammelten sich Kapitän Porquez, Don Hidalgo, Abu Hanufa, Ibn Kuteiba, der kleine Jardín, Ojo, Fernando de Navarra, Ernesto, Tscham und Marina auf der »Trueno« um den Pfeifer.
»Señores«, begann Michel, »wir befinden uns in einer wahrhaft komischen Situation. Um nicht schief angesehen zu werden, müssen wir zu irgendeiner Nation gehören. Ich habe die preußische Flagge gewählt, weil das Land für den Welthandel unwichtig und in den Handelskreisen der seefahrenden Nationen als Partner so gut wie unbekannt ist.Ich habe vor, von dem ganzen verbliebenen Rest unseres Geldes Muskatnüsse zu kaufen und diese als Handelsfracht nach Afrika oder Lateinamerika weiterzuverkaufen. Ich werde gleich jetzt nach dieser Besprechung unbemerkt an Land gehen und mich umhören, wie die hiesigen Preise liegen, damit man uns nicht übers Ohr haut. Ich hoffe, ihr alle seid mit meinem Plan einverstanden. Kapitän Porquez jedenfalls erzählte mir kürzlich, daß im Muskatnußhandel viel Geld zu verdienen sei. Na, und Geld haben wir bitter
Weitere Kostenlose Bücher