Pistenteufel
um den Mund zu schmieren. Er wollte ihn zum Reden bringen. »Unsere Picabo hat doch keine Chance mehr, auch wenn ich es ihr noch so sehr gönne, weil sie so ein nettes Mädchen ist«, hörte er sich sagen. »Selbst hier in Amerika wird sie nicht gewinnen.« Langbinder stimmte ihm zu, obwohl er gnädigerweise einschränkte, dass auch Picabo eine ganz gute Fahrerin wäre.
»Karen ist als Typ doch ein genauso tolles Mädchen wie Picabo«, warf Bierbichler ein. »Du brauchst nur die Kamera auf sie zu halten, und die Leute sind begeistert. Ein unheimlich munterer, lustiger und fotogener Typ. Die Werbefirmen reißen sich um sie.«
»Ganz im Gegensatz zu Nicola«, ergänzte Harry Langbinder. »Die ist ja absolut verschlossen, wenn eine Kamera auftaucht. Du kriegst nichts aus ihr raus. Jedes Interview ist eine Qual. Mir fallen überhaupt keine Fragen mehr ein. Sie sagt sowieso nur ›Ja‹ oder ›Nein‹. Bei Karen brauche ich nur das Mikro hinzuhalten. Die Karen, die kann sich verkaufen. Was die auch anpackt …« Er blickte versonnen auf seinen Kaffeebecher. »Nur schade, dass sie immer weniger Zeit hat. Der Rummel um sie wird größer und größer. Früher, weißt du noch Franzl, da haben wir noch Abende lang zusammengesessen und Erfolge wie Misserfolge mit schweizerischem, österreichischem, französischem oder kalifornischem Wein begossen. Je nachdem, wo die Rennen gerade stattfanden.«
»Stimmt, da haben wir das eine oder andere Glas geleert«, ergänzte Bierbichler fröhlich. »Wobei die Mädels ja immer beim Alkoholfreien bleiben. Ist eigentlich auch viel gesünder, nicht wahr, Harry?«
Das Gespräch drohte eine andere Wendung zu nehmen. Justus versuchte gegenzusteuern: »Wenn Karen Sulzenberger und Nicola Schalla so verschieden sind, warum wohnen die beiden dann auf einem Zimmer? Verstehen die sich denn, wenn sie so ganz andere Typen sind?«
»Na, so ganz klar ist das nicht.« Es war wieder Langbinder, der redete. »Ab und zu gibt es Gerüchte um Streitigkeiten. Wir haben natürlich unsere Kontakte zu allen Fahrerinnen und Betreuern, aber so richtig was lassen die darüber nicht raus.«
Bierbichler nippte an seiner Tasse, obwohl sie schon leer war. Er blickte sich um. »Die Mannschaftsbesprechung ist zu Ende«, rief er plötzlich. »Los, Harry, lass uns fragen, was es Neues gibt.«
Langbinder und Bierbichler standen auf. »Ciao«, sagten sie und nickten Justus zu, »die Pflicht ruft. Viel Spaß noch.«
Die Journalisten pickten sich den Cheftrainer heraus. Justus winkte Karen zu, die zusammen mit Nicola aus dem Zelt getreten war. Die beiden kamen zu ihm und Karen stellte Justus als ihren amerikanischen Cousin vor. Aha, dachte er, so groß ist die Freundschaft also nicht. Von unserem wahren Auftrag hat sie ihr nichts erzählt. Offenbar weiß wirklich niemand Bescheid.
Ein Mann, der ebenfalls im Zelt gewesen war, kam vorbei und sprach kurz mit Nicola, ohne dass er die beiden anderen beachtete. »Ihr Servicemann von SPEED«, berichtete Karen. »Ich habe dir ja heute Mittag erzählt, dass wir jeweils Techniker haben, die unsere Skier in Ordnung halten.« Justus nickte. Dann arbeiten die beiden Männer aus dem SPEED-Lieferwagen also eher im Hintergrund, dachte er sich. Dieser hier war jedenfalls auf der Herfahrt nicht dabei gewesen. Inzwischen hatte sich der Mann schon wieder von Nicola verabschiedet und verschwand in Richtung Verpflegungshütte.
In Kürze sollte das Zeittraining beginnen. Da Karen gleich nach einigen Österreicherinnen an der Reihe war, wollte sie sich gerne zurückziehen. »Vielleicht kann dir Nicola noch etwas vom Ablauf hier erzählen«, sagte Karen zu Justus. »Ich gehe noch einmal hinüber zum Physiotherapeuten, zur letzten Entspannung.«
Nicola war die Situation sichtbar unangenehm. Sie wusste nicht, was sie mit Justus anfangen sollte. Meine Chance, dachte Justus und ergriff die Initiative. »Das finde ich nett von dir, dass du dir ein paar Minuten Zeit für mich nimmst. Ich habe Karen in den letzten Jahren kaum gesehen.« Damit wollte Justus schon einmal vorab mögliche Wissenslücken entschuldigen. »Nicola, du bist doch ihre Zimmergenossin?«
Sie nickte und sagte nichts. Justus überlegte, dass ihre Sprachlosigkeit vielleicht auch damit zusammenhing, dass sie schlecht oder kein Englisch sprach. »Spreche ich zu schnell? Tut mir Leid, ich werde mir mehr Mühe geben. Mit meinem Deutsch steht es leider nicht zum Besten.«
»Nein, ist schon okay«, sagte Nicola.
Justus plauderte ein
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