Pistenteufel
Jungen, der vielleicht etwas jünger war als er selbst. Dieser strahlte ihn munter an. Ein bisschen frech sah er aus mit seinen kurzen rötlichen Haaren, der Stupsnase und den vielen Sommersprossen. Dazu hatte er irgendeinen leichten Akzent in seinem Amerikanisch, den Bob so schnell nicht orten konnte.
»Hi«, sagte Bob, noch ziemlich sprachlos.
»Sortieren wir uns erst einmal auseinander«, schlug die Stupsnase vor.
Wie sich herausstellte, hieß die Stupsnase eigentlich Toni und kam aus Wien in Österreich. Er war mit seinen Eltern hier, deren Traum es immer gewesen war, einmal in den Staaten Ski zu fahren. Und Toni durfte mitkommen. Einerseits langweilte er sich in Vail, da er mit seinem Snowboard alleine unterwegs war und seine Freunde natürlich alle in Europa Urlaub machten. Andererseits war er begeistert von den Bergen. »Eine Riesenlandschaft, tolle, trockene, kühle Luft und alles so locker.« Toni erzählte, dass in Europa die Skigebiete viel kleiner waren, man viel länger an den Liften anstehen musste. »Und das Bedienungspersonal ist auch so freundlich hier.«
Bob wunderte sich, dass in Europa Skifahrer und Snowboarder immer auf den gleichen Pisten fuhren und nicht wie in den Staaten meist auf getrennten. Er hörte Tonis Komplimente über Amerika gerne, aber sie waren für ihn nicht mehr so selbstverständlich wie früher: Seit die drei ??? in Europa gewesen waren, wusste er, dass es auch anderswo auf der Welt schön war und dass man Amerika auch einmal von außen betrachten sollte. Bob erzählte Toni von den Orten, die sie in Europa gesehen hatten, und schwärmte ihm von dem guten Eis bei ›Tichys‹ in Wien vor.
»Was, du warst in meiner Heimatstadt? Und es hat sogar ausnahmsweise mal die Sonne geschienen? Toll! Aber nebenbei: Ich mag lieber das Eis am Schwedenplatz. Es ist nicht so süß, dafür aber viel cremiger. Aber ihr Amerikaner steht ja auf süß …« Toni grinste ihn an.
Bob überhörte die kleine Stichelei und erzählte von den Schmugglern, wegen denen sie damals in Wien gewesen waren.
»Dann seid ihr also Detektive«, schloss Toni messerscharf, »das klingt ja richtig spannend. Bist du nun auf Urlaub hier, oder arbeitet ihr wieder an einem neuen Fall?«
Bob bejahte Letzteres. Er fand Toni nett, mehr noch: Obwohl sie sich erst kurz unterhalten hatten, schien es ihm, als kenne er Toni schon lange, wie einen guten Freund. Er vertraute ihm einfach. So erzählte er ihm von Karen und dem am Sonntag stattfindenden Rennen. Davon hatte Toni natürlich auch schon gehört. Dann schwärmte er seinem neuen Freund von Karen vor. Allerdings hatte er nicht mit der deutsch-österreichischen Rivalität gerechnet. Toni unterbrach ihn sofort.
»Karen Sulzenberger mag ja ganz nett sein, aber gegenüber unserer Petra Hofer aus Niederösterreich fehlt ihr einfach die fahrerische Eleganz!« Toni setzte noch einen drauf: »Wir haben sowieso viel höhere Alpen als die Deutschen.«
Bob grinste über das zum Vorschein kommende Konkurrenzdenken zwischen den europäischen Ländern und wollte etwas entgegnen. Doch plötzlich wurde ihm bewusst, dass sie schon eine ganze Weile miteinander geredet hatten. Dazu war er ja eigentlich nicht hier. Es wurde Zeit, zur Trainingspiste zu fahren. Toni wollte gerne mitkommen und Bob hatte nicht das Geringste dagegen.
Auf dem Weg nach unten zeigte ihm Toni noch ein paar Snowboardtechniken und -sprünge. Bob wollte sie lieber erst gar nicht ausprobieren. Toni war wirklich gut auf seinem Gerät. »Du hast wohl heimlich geübt«, witzelte Bob.
»Ich fahre jetzt schon den vierten Winter«, erzählte Toni stolz. »Komisch, das Snowboard kommt aus Amerika, und nun kann ich dir trotzdem was beibringen.«
Schließlich erreichten sie eine Stelle, von der aus sie dieselbe Steilkurve der Trainingsstrecke sehen konnten, die die Detektive am Vortag von der anderen Seite aus beobachtet hatten. Diesmal standen sie an der Innenseite der Kurve auf einem kleinen Hügel. Schräg unter ihnen lag die kleine Plattform im Wald, die sie gestern von der Skipiste aus erreicht hatten. Gerade zog wieder eine Läuferin ihre Bahn. Sie durchfuhr die Kurve und kam dann an dem Streckenposten vorbei, der am Kurvenende stand und, mit einem Handy ausgerüstet, die Fahrerinnen beobachtete. Falls ein Unfall passierte, konnte er über sein Funktelefon gleich Hilfe anfordern und das Rennen stoppen.
Bob zog den Startplan aus der Tasche und suchte nach der Nummer der Läuferin, die soeben aus seinem Blickfeld
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