Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter
blickte in den finsteren Schlund des Gangs und spuckte aus.
Toll. Wir dürfen also das Scheißhaus sauber machen.
»Jegor geht voraus, ich als Zweiter und Wadim als Letzter.« Iwan dehnte seinen verspannten Hals. Ein Wirbel knackte. »Eine Granate wäre jetzt nicht schlecht … Egal, vorwärts.«
Eine Toilettenanlage bestand aus einem Duschraum, einem Waschraum und je einem WC-Bereich für Damen und Herren. Licht gab es hier natürlich keins. Was soll’s, dann wollen wir mal, dachte Iwan.
Die Digger hatten ihre Lampen an den Gewehrläufen festgebunden. Sasonow nahm seine Flinte von der Schulter und signalisierte mit einem Kopfnicken, dass er bereit war.
Mit katzenhafter Behändigkeit schlüpfte Gladyschew durch die Türnische. Iwan warf noch einen Blick nach vorn in den Tunnel. Dort sah man die Lichtkegel der Lampen. Die Vorausabteilungen näherten sich dem Kontrollposten der Majakowskaja .
Iwan atmete durch, zählte bis drei und folgte Gladyschew in die Finsternis.
»Die Station Ploschtschad Wosstanija ist ein Fall für sich. Die Admiralzen und die gesamte Primorski-Allianz hegen ja schon lange einen Groll gegen sie. Warum? Weil sie was Besonderes ist.
Rund um die Station gibt es jede Menge unterirdische Bauwerke und Tunnel, die in keiner Karte eingezeichnet sind: unzählige Bunker und sonstige Zivilschutzeinrichtungen. Allein Toilettenanlagen gibt es so viele, dass man zwei komplette Divisionen dort verstecken könnte.
Und in dieses tückische Labyrinth um die Ploschtschad Wosstanija dringen wir arme Irre nun vor. Die Verteidiger werden uns zertreten wie junge Kätzchen. Sie werden über uns herfallen wie Ratten über Meerschweinchen.«
Iwan biss grimmig die Zähne zusammen.
»Was, ein schlechtes Beispiel?« Onkel Jewpat grinste. »Da musst du durch, Soldat. Denk nach.«
»Alarm«, signalisierte Gladyschew, Auge und Ohr des Trupps.
Er zeigte drei Finger: »Ich sehe drei Mann.«
Iwan bedeutete ihm: »Verstanden«, und legte das Sturmgewehr an. Jetzt ging’s los.
Die Toilettenanlagen in der Metro waren ein eigenes Kapitel. Beim Bau der Metro hatte man ihre Anzahl so kalkuliert, dass die Kapazitäten für alle reichten, die sich im Katastrophenfall in die Tunnel flüchteten. Im Augenblick lebten vergleichsweise wenige Menschen in der Metro, und deshalb wurde der Großteil der Toilettenanlagen nicht genutzt. Der Strommangel spielte dabei natürlich auch eine Rolle. Ganz zu schweigen vom Reinigungsaufwand. Fäkalien und Leichen sind generell das Hauptproblem in einem abgeschotteten Lebensraum.
Am schlimmsten hatten die Menschen diesen Notstand unter Saddam dem Großen zu spüren bekommen und kurz danach, als die Bevölkerung an den Stationen auf ein Drittel bis ein Fünftel sank. Genaue Zahlen kannte niemand. Nach Saddams Tod wurde die Metro nämlich von einer Welle der Gewalt erschüttert. Die Menschen verrohten und töteten für nichts und wieder nichts. Es trieben sich so viele geistesgestörte Bastarde herum, dass die Leute bei jeder x-beliebigen starken Hand Schutz suchten. Kriminelle Klans erlebten damals eine Blütezeit, denn nur sie boten ein gewisses Maß an Sicherheit. Was allerdings nicht für alle galt …
Es gab kein Entrinnen.
Die Gewalt gegenüber Frauen und Kindern war zügellos.
In der Metro türmten sich Berge von Leichen auf. Doch wohin damit? Aufessen konnte man sie nicht. Wer Menschenfleisch aß, überschritt eine verbotene Grenze. Solche Leute galten als abartig und wurden kurzerhand erschossen. An die Oberfläche konnte man die Leichen jedoch auch nicht bringen. Erstens wegen der Strahlung. Zweitens wegen der tiefen Lage der Sankt Petersburger Metro: Versuch mal, eine Leiche siebzig Meter an einem Seil hochzuziehen. Und drittens, weil man oben Gefahr lief, selbst zur Leiche zu werden.
Es war also alles nicht so einfach. Noch dazu stieg durch die verwesenden Körper die Gefahr von Seuchen, denen man in der Metro ziemlich hilflos ausgeliefert war.
Zu jener Zeit begann man damit, ganze Stationen als Friedhöfe zu nutzen. Bestattungskommandos sammelten die Toten ein und transportierten sie ab. Angeblich wurden die Leichen verbrannt.
Die Friedhofsstationen lagen im Süden, an der Linie 5. Die Bucharestskaja , die Meschdunarodnaja – alles Friedhofsstationen. Gerüchten zufolge war der tote Tunnel zur geplanten Station Prospekt Slawy vollständig mit verkohlten Gebeinen aufgefüllt.
Ach, Unsinn, dachte Iwan. So viele Leichen gibt es nicht einmal in der Metro, als dass man einen
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