Pittys Blues
Schlimmste von ihr und dem Kleinen fernzuhalten.
Moe hatte mir später davon erzählt, dass er Jones nachsah, wie er sich die Hände schützend vor die Stirn hielt, um besser sehen zu können. Vielleicht aber auch, um nichts mehr sehen zu müssen.
In der Zwischenzeit hatte sich Pepper in Veras Diner eingefunden und angefangen, die auf ihn wartenden und am Tresen aufgetürmten Pfannkuchen in sich reinzuschaufeln. Er mied die Blicke der anderen Männer, die hinter ihm an den Tischen saßen. Er war beleidigt. Einfach abgehauen von der Lichtung waren sie, und er hätte ihretwegen beinahe den Lunch verpasst. Er hätte den Kran ja auch nach dem Lunch holen können, aber nein, es musste ja gleich passieren.
Er wollte, dass die anderen sahen, dass er böse mit
ihnen war. Also drehte er sich zwischen zwei, drei Happen immer mal wieder um und guckte grimmig in die Runde. Es roch nach gebratenen Eiern, Kaffee und Zigarettenqualm. Das ursprüngliche Waggoninterieur des Diners war mit ein paar Tischen versehen, einige Bänke längsseits waren herausgerissen. An deren Stelle befand sich nun ein riesiger, massiver Tresen. Trotzdem war der Laden voller Menschen, von außen schienen sich die Seiten aufzublähen wie ein Ballon. Der Diner ächzte in seinen Nieten, jedes Mal, wenn ein neuer Gast seinen Fuß auf die eiserne Außentreppe setzte. War der ehemalige Waggon von außen ein grauer Klumpen Holz und Metall, drinnen klatschte er einem seine kunterbunte bonbonfarbene Einrichtung um die Ohren. Er war eben Veras Baby.
Als Vera Pepper fragte, warum er so spät zum Lunch gekommen sei, antwortete er mit dermaßen vollgestopftem Mund, dass niemand die Antwort verstand und Vera kleine, durchgesabberte Teigteilchen ins Gesicht gespuckt bekam. Da verging sogar ihr die Lust auf ein oberflächliches Gespräch, gegen das sie sonst nie etwas einzuwenden hatte.
«Iss erst mal auf, mein Guter.»Sie drehte sich zum Spiegel, der an der Wand hing, wischte sich die Matsche aus dem Gesicht und verzog die Unterlippe, sodass man ihre unteren Schneidezähne sehen konnte. Das war bei Vera sonst ein wenig schwierig, weil sie unten noch ihre winzigen Milchzähne hatte. Sie waren nie ausgefallen.
Ben Simmons setzte sich neben Pepper und überlegte, ob er ihn anspucken sollte. Quasi als Entschädigung
für all das Leid, das er seit dem frühen Morgen hatte ertragen müssen. Und weil er Lust hatte, jemanden anzuspucken. Er hing dem Gedanken einen Moment lang nach, ließ seinen Blick an Pepper rauf- und runterwandern und entschied sich dagegen. Sterbende sollten nachsichtig sein mit ihrer Umwelt. Peppers massige Statur hatte mit seiner Entscheidung nichts zu tun. Simmons wollte als gütiger Mann sterben. Oh ja, wie sie alle weinen würden an seinem Grab. Welche Vorwürfe sich Doctor Forks machen würde, und Schwester Agnes erst! Eine Ehrentafel würden sie für ihn anbringen. Die Inschrift würde lauten:
«Im Gedenken an Ben Simmons. Niemand war so nachsichtig mit Pepper wie er. Durch einen tragischen Zwischenfall mit einem Pick-up erlag der große, nein größte Sohn unserer Stadt einer Blutvergiftung, die durch eine schnelle und umsichtige Behandlung hätte verhindert werden können. Wir werden ihn auf ewig vermissen. Durch unsere Schuld, durch unsere Schuld, durch unsere große Schuld.»
Das war noch nicht perfekt. Seine Großherzigkeit musste noch besser ausformuliert werden. Hoffentlich blieb ihm genug Zeit dafür. Er musste vor seinem Ableben unbedingt dafür sorgen, dass die das mit der Tafel auch nicht vermurksten. Dass man sich hier aber auch um alles selbst kümmern musste! Er würde natürlich auch den Ort vorgeben müssen, an dem sie hängen sollte. Nur wo? Na ja, ein paar Tage blieben ihm wohl noch.
Er wollte ein Beispiel seiner Großherzigkeit geben.
Da Pepper, die arme Sau, direkt neben ihm saß, traf es ihn als Ersten.
«Pepper, komm, ich wisch dir mal den Mund ab.»Mit einer Serviette wedelnd wanderte Bens Hand in Richtung Pepper und näherte sich dem Pfannkuchen verschlingenden Maul gefährlich schnell.
Pepper wusste nicht, was er tun sollte, und sah wimmernd zu Clomel, der sich links neben ihn gesetzt hatte und in seinen Kaffee pustete.
«Simmons, lass Pepper in Ruhe essen!»sagte Clomel.
«Was denn!»Bens Augen wurden zu Schlitzen und in seinen Nasenlöchern hätten Golfbälle Platz finden können.
«Er hat Angst vor dir, siehst du das nicht?»
«If ab feine Angft!»Pepper war immer kleiner geworden. Am liebsten hätte er
Weitere Kostenlose Bücher