Pittys Blues
vorn.«Ich wollte dir nicht wehtun.»
«Schon okay.»Pitty ging weiter.
Sie wussten nicht, wie sie miteinander umgehen sollten,
zögerten zu lang, bevor sie etwas sagten oder taten. Wenn der richtige Moment für einen Satz oder eine Geste oder eine Berührung vorbei ist, wirkt das, was vielleicht zwei Sekunden früher gut gewesen wäre, linkisch und grob.
Sie taten sich weh, nicht absichtlich, dafür umso heftiger. Vom ersten Augenblick ihres Zusammentreffens war klar, dass sie jetzt erst einmal zusammenbleiben mussten. Als hätte sie ein unsichtbares Band miteinander verbunden. Sie fürchteten sich, sie wussten beide, dass es ihren Herzen an den Kragen gehen konnte, sie hätten mehr Abstand halten sollen und konnten es doch nicht.
Dick war nicht blöd, er wusste, er steckte in einer Zwickmühle. Einerseits wollte er Klarheit, hatte andererseits aber Schiss davor.
Er wollte toll sein, toll für Pitty. Aber wie konnte er toll sein, wenn auch sie sah, dass er seinen kleinen Bruder auf dem Gewissen hatte? Es musste doch eine Möglichkeit geben, die Wahrheit herauszufinden. Ohne Gefahr zu laufen, dass Pitty ihn sitzen ließ.
Dick hatte immer Angst um seine Freiheit. Doch das, was er Freiheit nannte, war meiner Meinung nach im Grunde Einsamkeit und Haltlosigkeit. Er nannte sich selbst auch lebensbejahend und meinte damit nichts anderes als seine Angst vor dem Tod.
Auf der Lichtung wurde Pepper immer kleiner, flatterte verzweifelt um den Sheriff herum.
«Was zur Hölle soll das, Pepper?»
«Nicht fluchen bitte, das mag mein Kran gar nicht.»
«Na, dann ist es ja ein Wunder, dass er in dieser verdammten Stadt überhaupt bis jetzt durchgehalten hat.»
Der Sheriff wollte Pepper nicht beruhigen.«Pepper, wieso funktioniert dein Kran nicht so, wie er soll?»
«Steve, was machst du eigentlich, wenn jetzt gerade jemand die Bank ausraubt?»Mort Cassis schwang sich an des Sheriffs Seite.
«Wieso? Das siehst du doch! Ich stehe hier mit euch Vollidioten. Mal davon abgesehen: Außer dir wäre keiner zu einem Überfall fähig, und dich habe ich, wie du siehst, im Auge.»
«Ich meine ja nur.»
«Ach, lass mich doch mit deiner Meinung in Ruhe! Soll doch die Bank ausrauben, wer will! Darum kümmere ich mich dann morgen.»Und mit einem Blick auf seine Uhr, die er aus der Tasche seiner Weste zog, stellte er fest, dass Feierabend war. Und wenn Schluss ist, ist Schluss.
Steve Lucas weigerte sich, eine normale Uniform zu tragen, und schmückte sich lieber mit einem Dreiteiler, aber nur, um eine schöne Tasche für die Uhr zu haben. Normale Uniformen hatten keine Westen und erst recht keine Westentaschen. Das war für ihn Grund genug. Dass er der Sheriff war, das konnte man seiner Meinung nach an seinem Auftreten, seinem Stil und nicht zuletzt an seinem Sheriffstern erkennen, der im Übrigen auf dem dunklen Stoff seines Anzugs viel besser zur Geltung kam als auf seiner farblosen Uniform. Und bisher hatte sich auch niemand beschwert, mal davon abgesehen, dass das auch nichts an Sheriff Lucas’ Einstellung
geändert hätte. Er steckte seine Taschenuhr wieder weg, zog die Enden seines Schnauzbarts - nur echte Männer trugen Schnauzbart - in Form und läutete den Feierabend ein.
«Männer, Schluss für heute. Zeit fürs Abendessen. Pepper, um deinen Kran kümmern wir uns morgen, ja?»
Und während die Rettungsmannschaft sich sammelte und sich auf den Weg in die Stadt machte, um sich an mehr oder weniger gedeckte Tische zu setzen, stand Jones in Dicks Haus und fühlte sich verloren in diesen vier Wänden, die er so gut kannte wie seine eigenen.
Er war direkt von der Lichtung hierhergekommen, und während des gesamten Weges hatte er sich alles zurechtgelegt, wieder verworfen, Fragen gestellt, wieder verworfen, Erklärungen formuliert, wieder verworfen. Jones fühlte sich wie ein Haufen Staub, der gerade erst zusammengekehrt worden war, und nun latschte einer durch den Haufen und verteilte ihn wieder. Wie würde er es Dick am besten, am schonendsten beibringen können. Wie könnte er das Unmögliche vollbringen und dem Jungen alles sagen, ohne dass der ihn hasste? Jones wusste sich nicht zu helfen und ging erst einmal zum Kamin, entfachte ein Feuer unter dem schon vorbereiteten Holzhaufen und war sich zum ersten Mal an diesem Tag sicher, etwas Richtiges zu tun.
Dick sah die Fenster seines Hauses durch die Baumstämme durchscheinen.«Ich habe doch gar kein Licht brennen lassen heute Morgen...», wunderte er sich.
Und
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