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Pittys Blues

Pittys Blues

Titel: Pittys Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gaebel
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zu Pitty sagte er:«Wir sind gleich da. Das da hinten ist mein Haus.»
    «Warum hast du das Licht angelassen?»
    «Ich habe das Licht nicht angelassen. Jedenfalls nicht, dass ich wüsste.»Er ging schneller, ließ Pitty hinter sich zurück. Bis zur ersten Treppenstufe der Veranda waren es nur noch ein paar Meter. Das alte Grammophon seiner Mutter lief, Fetzen klassischer Musik flatterten ihm entgegen.
    Er nahm zwei Stufen auf einmal, und in dem Moment, in dem er die Tür erreichte, ging diese auf, und er rannte mit dem ganzen Schwung, den er sich auf den letzten paar Metern geholt hatte, ungebremst und direkt in das massive Holz. Fluchend hielt er sich den Schädel.«Verdammt noch mal, was zur Hölle soll der Schei... Jones!»
    Jones beugte sich vor und fing den fluchenden Dick mit bedauernden Worten auf. Dick brauchte eine Zeit lang, bis er sich wieder gesammelt hatte.
    «Was zum Teufel machst du hier?»
    «Ich hatte eigentlich vor...», Jones guckte Pitty an und geriet ins Stottern,«ich wollte nur schauen, wie’s dir, euch, geht, nach dem Aufruhr heute Morgen.»
    Pitty sah an Jones’ Blick, dass er eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen. Sie fühlte sich fehl am Platz, wollte gehen, wusste aber nicht, wohin, und fühlte sich verloren neben diesen beiden alten Freunden, die sich offensichtlich etwas Wichtiges zu sagen hatten. Wie konnte es bloß sein, dass etwas, was man sich so unglaublich wünscht, sich verflüchtigt, je näher man ihm kommen will?

    Sie sah den beiden Männern zu, wie sie sich in Bewegung setzten, sich auf die Schultern klopften, sich kurz festhielten und dabei waren, ins Haus zu verschwinden.
    Pitty stellte überrascht fest, dass sie dabei sein wollte, sie wollte dazugehören, sie wollte, dass Dicks und ihr nervöses und zögerliches Miteinander einer solchen Selbstverständlichkeit wich, wie Dick und Jones sie hatten. Sie folgte den beiden Männern, streckte ihre Hand nach Dick aus, betrat die Treppe zur Veranda, langsam, zog die Hand aber wieder zurück, den Blick fest auf Dicks Rücken gerichtet. Er war viel zu weit weg, als dass sie ihn hätte berühren können.
    Dick war gerade über die Schwelle getreten, als er sich zu ihr umdrehte und sie zum ersten Mal, seitdem sie sich kannten, anlachte. Man konnte all die Fesseln sehen, wie sie sich von Dick lösten. Er bemerkte es nicht. Und er strahlte in allen Farben, die Pitty jemals gesehen hatte.
    In diesem Augenblick, auf der Schwelle von Dick TreLukes Haus, wusste Pitty Pruitt, was sie hier sollte, warum sie in Rickville und bei diesem Mann war.
    Pitty zögerte, ihren Fuß über die Türschwelle zu setzen. Sie blieb auf der Veranda stehen und wartete, bis Dick sie aufforderte hereinzukommen. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und trat ein. Es war warm. Jones hatte ein Feuer in dem großen offenen Kamin angezündet, bevor sie gekommen waren. Erst jetzt fiel Pitty auf, wie durchgefroren sie war, und sie fing an, ganz fürchterlich zu zittern. Dick bemerkte es, als er ihr seine Jacke abnehmen wollte, und ging wortlos in einen anderen Raum.

    Pitty sah sich um. Es war eine schlicht eingerichtete Blockhütte. Der gemauerte Kamin war gegenüber der Haustür. Rechts des Eingangs war eine Kochnische mit einem Tisch und vier Stühlen, an der linken Wand stand ein den Raum beherrschendes, altes, durchgescheuertes, ehemals wohl tartangemustertes Sofa, vor dem ein klobiger Couchtisch stand. Ein neben dem Sofa verschwindend klein wirkender Sessel war zum Kamin gedreht. Er war ebenso durchgescheuert wie das Sofa. Obwohl nur das Nötigste vorhanden war, machte die Hütte einen gemütlichen Eindruck. Links neben dem Eingang war ein Regal, das mehr Bücher trug, als gut für es war. Bis auf zwei Fotos auf dem Kaminsims waren keine weiteren persönlichen Dinge zu sehen. Die Hütte war sauber und duftete nach frischem Holz. Auf den Dielen lagen ein paar grobe wollene Läufer.
    Pitty ging zu den Fotos und betrachtete sie. Das linke war ein Familienbild. Alle Mitglieder trugen ihren Sonntagsstaat. Ein Mann, eine Frau und zwei Jungs. Der Mann hatte ein sanftes, fast feminines Gesicht, das überhaupt nicht zu seinem muskulösen Körper passte. Die Frau wirkte ausgezehrt, mit unendlich müden Augen, die bestimmt einmal gestrahlt hatten. Ihre Erschöpfung strömte in Pittys Hände, die den Bilderrahmen fest umschlossen hielten. Die Jungs hatten aufgeschlagene Knie, der Ältere der beiden grinste breit und zeigte eine große Zahnlücke, an deren

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