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Pittys Blues

Pittys Blues

Titel: Pittys Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gaebel
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spät.»Dick ließ die Ruder wieder zu Wasser, wendete das Boot und ruderte ans Ufer.
    Es war nicht so, dass Dick keine Erfahrungen mit Frauen gehabt hätte. Er hatte seinen ersten Kuss mit neun bekommen, von Lula Bell. Er grinste bei dem Gedanken an dieses Mädchen, das zwei Köpfe größer als er und klapprig dürr gewesen war. Aber sie hatte ein glockiges Lachen, ja das hatte sie. Und prächtige Zähne. Nachdem diese Hürde der ersten Annäherung genommen war, hatten sie sich regelmäßig unter dem Haselnussbusch getroffen, Bonbons gelutscht und geknutscht. Wenn man es so nennen kann. Jeden Nachmittag waren es vier Bonbons und vier Küsse, und
Dick hielt sich für den besten und größten Knutscher. Trotzdem verloren beide irgendwann ihr Interesse aneinander. Erst mit dreizehn entdeckte Dick das andere Geschlecht erneut. Da waren schon die Hände mit im Spiel, denn Rachel Griffins, die Tochter des Kaufmanns, ließ ihn ein bisschen an sich herumfummeln.
    Und dann war er auf einmal sechzehn. Da kam Gene, der räudige Köter von einem Vater, packte ihn am Schlafittchen und stopfte ihn auf den Beifahrersitz eines Autos, das nur noch entfernt wie eines aussah. Ein Mann in Dicks Alter müsse wissen, was er zu tun habe, sagte Gene, und sie fuhren fünfzehn Meilen in die Stadt. In die Stadt, in der es die Brennerei gab.
    In einer kleinen Seitenstraße, die nach Pisse und Kotze stank und in die, selbst wenn die Sonne schien, keine Helligkeit drang, schubste Gene ihn aus dem Auto. Er warf ihm ein paar zerknüllte Geldscheine zu, die der Wind des Auspuffs über die dreckige Straße in seine Richtung trieb. Der Hinterkopf seines Vaters wurde langsam kahl. Dick blickte Gene hinterher, während sich der Wagen rußrotzend entfernte.
    «Na, dann woll’n wa mal, was?»Eine Frau, die vom Aussehen, oder sagen wir mal von der Verbrauchtheit, die sie ausstrahlte, hätte hundert Jahre alt sein können, packte ihn am Arm und stieß ihn durch eine Tür. Dick landete weich. Seine Augen taten ihm nicht den Gefallen, sich nicht an das Halbdunkel zu gewöhnen. Im Gegenteil. Er sah gestochen scharf. Er war in einem Loch, um es freundlich zu sagen. Die Matratze lebte, sie atmete, es war feucht und muffig. Und dann war da diese
Riesenbrust, die auf ihn zuwaberte. Er wäre nur zu gern geflohen, wäre da nicht dieses Mistding zwischen seinen Beinen gewesen, das sich einen Dreck um alles scherte und sich aufrichtete. Zu sagen, es hätte ihn gereizt, wäre eine hemmungslose Untertreibung gewesen. Gleichzeitig weglaufen und doch bleiben zu wollen - was für ein Gefühl!
    Er blieb. Und er kam wieder.
    Es zog ihn in den nächsten Monaten ständig in die Gosse zu den Riesentitten und den fetten Schenkeln, und er fühlte sich großartig. Keine Spur von Schuld oder Scham, warum auch? Er hatte nichts Unrechtes getan, noch nie. Er wollte alles werden, nur nicht wie sein Vater, auch wenn er es nun genoss, wie Gene herumzustreunen. Von dem ersten Tag in der Gosse an ging Dick nicht mehr wie ein Junge. Es war, als wären seine Eier um das Doppelte gewachsen.
    Gehört zum Erwachsenwerden, dachte sich Dick und sah zu Pitty. Woran sie wohl gedacht hatte?
    Sie legten an. Dick sprang aus dem Boot und vertäute es am Steg.
    Pitty stand auf und kletterte an Land.«Gehen wir?»Sie streifte Dicks Jacke ab.
    «Nein, lass sie an. Bitte. Mir ist nicht kalt. Und bis zu mir nach Hause ist es noch ein Stück.»
    Er nahm ihr die Jacke ab und half ihr dabei, sie richtig anzuziehen. Mittlerweile war es dunkel geworden. Der Schnee glitzerte, es hatte für einen Moment aufgehört zu schneien, und das Mondlicht brach durch die Wolken.

    Wortlos liefen sie nebeneinander her. Pitty schien nach jedem Schritt ihre Beine ein wenig auszuschütteln. Sie schob ihre Hände tief in die Jackentaschen und spielte dort mit ein paar Krümeln, die zu groß waren, um sie sich unter die Fingernägel zu schieben. Pitty schaute nach oben, in die Baumspitzen, sie meinte, den Mond zu sehen.
    Schweigen hing wie eine Abrissbirne zwischen ihnen, pendelte von Pitty zu Dick und von Dick zu Pitty, kam den verletzlichen Teilen immer wieder bedenklich nah.
    Dick brabbelte leise vor sich hin.«Was mach ich hier bloß? Was mach ich hier bloß?»
    Dann setzte Pitty endlich an:«Es hat so kommen müssen, weißt du?»Pitty nahm die Hände aus den Taschen und klopfte die Krümel an der Außenseite der Jacke ab.
    «Was hat so kommen müssen?»
    «Das mit uns.»
    «Was ist denn mit uns?»Dick zupfte sich mit Daumen

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