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Pittys Blues

Pittys Blues

Titel: Pittys Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Gaebel
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Stelle später die Schneidezähne wachsen sollten. Der Kleinere lugte zu seinem Bruder. Sie hielten sich an den Händen.
    Das rechte Foto zeigte einen jungen Dick, der stolz
einen Fisch beachtlicher Größe in die Kamera hielt. Neben ihm stand Jones, eine Hand auf der Schulter des jungen Mannes.
    Jones war leise neben sie getreten und schaute sie von der Seite an, sagte aber nichts. Pitty drehte sich zu ihm, und ihr Blick streifte wieder die beiden Fotos. Gab es da eine Ähnlichkeit zwischen Dicks Bruder auf dem einen und Jones auf dem anderen Bild?
    Pitty hielt das Familienfoto noch immer in den Händen, als Dick wieder in den Raum kam.
    Er stutzte einen Moment, bevor er auf sie zuging, ihr vorsichtig das Foto aus der Hand nahm, es wieder auf den Sims stellte und sagte:«Ich habe dir ein Bad eingelassen. Komm.»Er führte sie in sein Schlafzimmer, durch das man zum Badezimmer gelangte.«Frische Handtücher liegen dort. Lass dir Zeit.»Während sein Blick kurz auf ihr ruhte, huschte ein Lächeln über seine Lippen. Dann schloss er die Tür hinter sich.
    Pitty stand mitten im Raum und sah sich um. Sie zog Dicks Jacke aus, knöpfte ihre Strickjacke auf, ließ beides zu Boden gleiten und gab den Kleidern mit dem Fuß einen leichten Schubs, der sie in die Ecke beförderte. Dann löste sie die Schleife ihres Gürtels und wollte gerade ihr Kleid aufknöpfen, als sie zögerte. Sie hörte die Stimmen der Männer. Es gab ihr ein gutes Gefühl, nicht mit Dick allein zu sein, zumindest nicht jetzt.
    Sie zog sich weiter aus und stieg in den dampfenden Zuber. Jones hatte zum Glück die Angewohnheit, immer für heißes Wasser zu sorgen, wenn er Feuer machte.

    In dem Moment, in dem sie bis zur Schulter in dem warmen Wasser verschwunden war, entspannte sie sich.
    Die Wärme umfing sie und lullte sie ein. Mit geschlossenen Augen hörte sie die Bewegungen des Badewassers, wie die Wellen an den Rand des Zubers stießen, und sie ließ sich von dem Geräusch treiben. Sie tauchte ihren Kopf zur Hälfte unter, so, dass ihr Gesicht trocken blieb, ihre Ohren aber unter Wasser waren. Ihr Atem und ihr Herzschlag waren die Geräusche, deren Gleichmäßigkeit sie immer ruhiger werden ließ.
    Pitty spürte die Nacht, in der sie Dicks kleinen Bruder in dem Pick-up gesehen hatte.
    Und sie sah, was passiert war. Sie sah, was sie vergessen hatte. Sie sah, wie sich die Bruchstücke zu Einheiten verbanden, die Lücken ihrer Erinnerung fügten sie aneinander.
    Sie ging in ihrer Erinnerung unter, ihre Glieder wurden schwer. Sie vergaß für einen kurzen Moment zu atmen und ließ sich fallen, die Augen weit geöffnet für das, was sichtbar war, die Sinne für das, was zu spüren war.
     
    Dick und Jones standen an der Kochzeile. Jones stand am Herd und warf alles, was für ihn nach Essbarem aussah, in eine große Pfanne.
    «Warum bringst du denn deine Pfanne mit und kochst hier?»
    «Das ist deine, du Knallkopf.»
    «Ich habe eine Pfanne?»
    «Die ist noch von deiner Mutter.»Und nach einem
zweifelnden Blick in Dicks fragendes Gesicht fügte Jones hinzu:«Dick, das glaube ich jetzt nicht. Mensch, an die Pfanne kann sogar ich mich erinnern.»
    «Wieso erinnerst du dich an eine Pfanne und ich mich nicht?»
    «Das ist die Pfanne, die Lilly Pat McKenna über die Ohren gezogen hat, das musst du doch noch wissen. Guck mal hier: Die Beule!»Jones stockte. Er hatte ihren Namen lang nicht mehr ausgesprochen.
    Dick hatte immer noch keine Ahnung:«Äh, wem?»
    Jones machte halbherzig eine wegwerfende Handbewegung:«Ach, vergiss es, ist auch nicht so wichtig.»Dick ließ sich dankbar auf einen Stuhl fallen. Sein Kopf war so voll. Er wollte nicht mehr nachdenken und erst recht nicht über einen Pat McKenna, dem seine Mutter den Schädel weich geklopft hatte.
    Jones rührte immer heftiger durch das Allerlei in der Pfanne, bis eine Bohne über den Rand in die Gasflamme des Herdes rutschte und mit einem leisen Knall zischend explodierte und sein Gehirn kurzschloss.
    «Ich habe sie geliebt.»
    «Wen?»
    «Deine Mutter.»
    «Ich weiß. Ich ja auch.»Dick trat hinter Jones, legte ihm eine Hand auf die Schulter, ließ sie ein wenig herunterrutschen und drückte kurz seinen Oberarm, bevor er sich wieder auf den Weg zum Kamin machte.
    Jones beugte sich über den Herd und holte schwer Luft.
    Er krallte seine Hand vor sein Herz, als könnte es ihm
jeden Augenblick durch die Finger rutschen und auf den Boden gleiten.
    Ich dachte immer, Pitty wäre langsam gewesen, aber Dick

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