Pixity - Stadt der Unsichtbaren
Richtung. »Wann geht’s los?« Michael meckerte. »Na, klick doch mal auf einen der Stühle da rechts. Müsste doch gehen, oder?«
Bentner nickte. Er schwitzte. Natürlich würde es funktionieren. Alina klickte auf einen Stuhl, Eva setzte sich mit gleichmäßigen Schritten in Bewegung, erreichte den Stuhl, aus der laufenden Eva wurde eine sitzende. Einfacher Austausch der Grafik, keine Hexerei.
»Ja, klick mal«, sagte Bentner.
Auch Adam lief jetzt, setzte sich neben Eva.
»Geil!«
»Klick meine Figur an«, sagte Bentner. Alina schien in den Monitor kriechen zu wollen, klickklick. Eva wandte ihr Gesicht Adam zu.
Bentner tippte. Aus Adams Gesicht wuchs eine Sprechblase mit drei Punkten, er bewegte seine Lippen.
Adam: Hallo Eva.
Alina jauchzte. Auch sie malträtierte nun die Tastatur.
Eva: Mensch, das klappt! Adam! Du bist der geilste Typ!
Michael ging ins Nebenzimmer, Gläser schlugen hell gegeneinander. Er kam, eine Flasche in der Linken und fünf Gläser auf einem Tablett balancierend, zurück, das unvermeidliche Siegerlächeln in den Zahnreihen.
»Sekt, Leute! Ein Grund zum Feiern!«
Es war ein heißer Tag im Juli, der Sekt kalt. Sie stießen an, wandten sich in Richtung der Bildschirme, Adam und Eva auf ihren Stühlen am Tisch, sie schauten sich an, sie lächelten.
Eva: Du bist einfach nur geil, Nils!
Adam: Sorry Süße, ich heiße Adam.
Eva: Ja, ja, ja!
Das Foyer war der erste Raum in Pixity. Sie stießen an, tranken, jeder ging an seinen Rechner und loggte sich ein. Pixity aus der Vogelperspektive. Links ein Stadtplan, um rasch von einem Haus zum nächsten zu springen, noch war er inaktiv, gab es keine Navigation, »immer der Reihe nach«, sagte Bentner und alle nickten ungeduldig. Zwei Stunden lang waren sie kleine Zeichentrickfiguren, sie sprachen miteinander, sie lachten, die Jungs trieben üble Scherze mit Eva, »dir hängt die Monatsbinde aus dem Slip, Schätzchen.«
Es war das Paradies. Sie köpften zwei weitere Flaschen. Zogen weiter ins Taco’s , und Rigo beglückwünschte sich, seine Vorräte an Crémant erst heute Morgen aufgefüllt zu haben.
»Könnt ihr euch das überhaupt leisten?«
Sie lachten ihn aus und zogen Hunderteuroscheine aus den Hosentaschen.
Wann hatte Bentner Weihnachten zu hassen begonnen? Vor drei Jahren, als PixBiz zum erstenmal in schwarzen Zahlen schwelgte und Alina mit einer Kiste Champagner im Büro erschien, sechs großen Flaschen, deren Inhalt den Abend nicht mehr erlebte?
Oder doch erst vor zwei Jahren? Olivia war über Nacht ausgezogen, ein Zettel auf dem Küchentisch. »Vielleicht wirst du in ein paar Monaten bemerken, dass ich nicht mehr hier wohne. Dass ich über drei Jahre lang hier gewohnt habe, hast du jedenfalls nicht bemerkt.« Und tatsächlich fand Bentner den Zettel erst am Abend und war überrascht.
Sie hatten damals die gesamte Etage des Bürogebäudes gemietet, Leute fest angestellt. In den beiden übrigen Stockwerken richteten sich weitere Start-ups ein, die meisten verschwanden schneller als sie gebraucht hatten, ihre Räume einzurichten. Alina trug jetzt einfarbige Hosenanzüge und Kostüme, »ein heißer Tipp meiner Stil- und Farbberaterin«, und irgendwie trauerte Bentner den Zeiten der brennenden Augen nach.
Claus hingegen trug seinen grauen Businessanzug einmal zu wenig, in Gegenwart einer Praktikantin, beide halb auf dem Konferenztisch, kein schöner Anblick für Alina, die nach Feierabend noch einmal ins Büro gekommen war, weil sie Unterlagen vergessen hatte. Auch hier eine Trennung über Nacht, allerdings ohne Zettel auf dem Küchentisch.
Oder hasste Bentner Weihnachten erst seit vorigem Jahr? »Eure Geldgeilheit kotzt mich an!«, hatte Gorland gebrüllt. »Ihr geht über Leichen, sogar über eure eigenen, ihr macht alles kaputt!« Die anderen Vier hatten Gorlands Ausbruch abgenickt wie einen fehlenden Euro in der Portokasse. »Wenn’s dir nicht mehr passt, dann steig doch aus.« Wer hatte das gesagt? Bentner wusste es nicht. Vielleicht er selbst.
Sie zahlten ihn schließlich aus. Geld war genug da, Pixity eine Boomtown, eine Goldgräberstadt. Hatten sie sich anfangs noch um jeden Werbekunden wie dienstfertige Lakaien bemühen
müssen, schickten ihnen die PR-Abteilungen nun Bitten um Aufnahme in den Pool der Werbepartner ins Haus, nebst teuren Präsenten zu Geburts- und Festtagen. Tausende Kids überwiesen mit ihren Handys kleine Summen, die sich beträchtlich läpperten, um sich einen besseren Status zu erkaufen. Coole
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