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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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deiner bf?« Und wenn susi_girl nicht wusste, was eine bf war oder wofür omg stand, war sie als Fake entlarvt.
    Genau das tat Bentner seit einem halben Jahr. Er kontrollierte die Chatprotokolle, immer drei parallel, die über den Bildschirm rollten, er wechselte von einem Raum in den anderen, er hatte ein Gespür dafür bekommen, wenn irgendetwas nicht stimmte. Er warf die Schweine gnadenlos raus.
    »Eine für uns existentielle Aufgabe«, hatte Alina mit der ganzen Kraft eines Psychologieseminars erklärt. Und ja, ja, ja, es stimmte wirklich. Eltern hatten sich beschwert, die Presse war aufmerksam geworden und berichtete, erste Anzeigenkunden überlegten sich, die Zusammenarbeit mit PixBiz einzustellen. Negativwerbung im Segment Kinder und Jugendliche? Eine Nähe zu Päderasten? Nicht gut für den Umsatz.
    Man hatte ihm eine studentische Hilfskraft zur Seite gestellt, Lisa eben, deren Aufgabe es war, den intern »Schweinesprech« genannten Textfilter zu aktualisieren. Für jedes »ficken« und »bumsen« und »wichser« erschienen Sternchen, beim dritten Mal gab’s einen Tag Stadtverbot, beim zweiten Stadtverbot wurde der Sünder endgültig aus der Stadt verwiesen, die in einem wohlversteckten Cookie gespeicherte Pixity-Adresse (eine zwölfstellige Zahl) seines Rechners auf die schwarze Liste gesetzt. Also schrieb man »ficken« rückwärts. Oder ersetzte die Vokale durch Sternchen. Oder … die Ferkel hatten Phantasie und Bentner Lisa, die jede neue Variante auf den Index setzte.
    Eine Weile saß Bentner vor dem toten Bildschirm. Trank eine Tasse Kaffee und rauchte durch das geöffnete Fenster, begann zu frösteln und wusste, dass es nicht nur an der kalten Luft lag, die ihn von außen umhüllte. Er würde wohl den ganzen Tag so sitzen können, niemandem würde es auffallen. Das hier war der tote Winkel der Etage, eine Tür ganz hinten mit einer Aufschrift, unter der sich niemand etwas vorstellen konnte. Lisa käme – mit mindestens einer Stunde Verspätung – auf einen Sprung zu ihm, sie würden sich kurz unterhalten, vielleicht einen Kaffee miteinander trinken. Er mochte Lisa, die unbekümmerte, ein wenig naive und altkluge Lisa. Während in den Räumen um ihn herum die Intrigen weitergingen, Alina Claus mit ihrem üblichen Kastrationsblick strafen, Michael von einem zum anderen sehen und seine Schlüsse ziehen würde. Bentner zählte nicht mehr. Er war kaltgestellt, eine nicht mehr benötigte Spielfigur, die man bei Gelegenheit ganz vom Brett nehmen konnte, wie Gorland, den Bentner seit einigen Wochen im   Taco’s   sah, einen in sich versunkenen Mann, der ihm zulächelte, den Daumen hob und dann langsam senkte.
    Sie redeten kaum miteinander. »Du bist der nächste«, sagte Gorland, »und sei froh, wenn du das hinter dir hast. Ich kauf mir im Sommer ein Haus in Südfrankreich und beginne wieder zu malen. Such dir was Ähnliches, hau ab von hier. Sie werden sich gegenseitig zerfleischen vor lauter Machtgeilheit.«
    Bentner nickte. Er hörte schnelle Schritte auf dem Flur, wusste, dass es Lisa war, deren Tacktack auf Highheels oder doch wenigstens Pumps schließen ließ. Eine Tür wurde aufgesperrt, zugeschlagen. Bentner seufzte und drückte den Knopf. Es lief ihm kalt über den Rücken. So fühlte sich Gott, als er seine Schöpfung verfluchte.

    Anna_lieb_dich: hi
    Rickboy_16: hi. wie geht es dir?
    Anna_lieb_dich: oki. dir?
    Rickboy_16: auch oki. wie alt bist?
    Anna_lieb_dich: 14. du?
    Rickboy_16: 16
    Anna_lieb_dich: cool
    Rickboy_16: gehst noch schule?
    Anna_lieb_dich: ja. du?
    Rickboy_16: auch
    Anna_lieb_dich: Du bist süss.
    Rickboy_16: danke ☺   du auch
    Anna_lieb_dich: darfst mir niemals weh tun
    Rickboy_16: neeeeeeeee
    Anna_lieb_dich: danke
    Rickboy_16: könnt ich nich
    Anna_lieb_dich: mhm
    Rickboy_16: was machst grad so?
    Anna_lieb_dich: chatten ☺
    Rickboy_16: oki. ich auch ☺
    Anna_lieb_dich: ich bin was besonderes
    Rickboy_16: klaro
    Anna_lieb_dich: ich hab nämlich goldenes blut

DAS MÄDCHEN MIT DEM GOLDENEN BLUT
    Es war ein gewöhnlicher Werktagmorgen und noch schlief Pixity. Das Foyer der Schule, in dem alle Pixies nach dem Einloggen automatisch landeten, lag verwaist bis auf den kleinen Jungen mit der coolen Sonnenbrille. Der hockte an einem der Tische im Hintergrund und wartete.
    Ein kleines Mädchen – grüngelber Rock, ebensolches Shirt, Sommerlatschen, eine rosa Blume im mittellangen hellbraunen Haar – erschien im Eingang, machte drei Schritte in Richtung des Jungen und löste

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