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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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Republik. Abteilungen I – IV, VI I – Unterabteilungen A – H .
    Darunter das Staatswappen.
    Wegener ging auf die Wach-Staffel zu und übergab seine Ausweis-Chipkarte. Die Karte wurde in einen mobilen Borska-Scanner gesteckt, den ein Unterwachtmeister am Gürtel trug. Der Scanner surrte, zwei rote Lämpchen erloschen, zwei grüne Lämpchen blinkten. Ein feister Staffelsack leuchtete Wegener mit einem Xenon-Handstrahler ins Gesicht, verglich das Chipkartengesicht mit dem, das er vor sich hatte, und sah zufrieden aus. »Willkommen im Ministerium für Energieexport und Transitwirtschaft, Herr Hauptmann.«
    »Und ich dachte, Sie greifen mir noch schön fest zwischen die Beine.«
    »Eine sensorische Kontrolle ist bei Beamten im Volkspolizeidienst nach positiver Überprüfung des Dienstausweisdokuments und visueller Identifikation nicht notwendig, Herr Hauptmann.«
    Wegener kontrollierte im spiegelnden Metall der Ministeriums-Messingtafel seine Restfrisur und betrat die Empfangshalle. Wärme, Raumerfrischer Vanille, Rachmaninow. Klavierkonzert Nr . 3. Zweimal war er mit Karolina hier gewesen, vor ein paar Jahren, als sie sich um den Posten der Assistentin irgendeines Fachbereichsleiters beworben hatte, abgelehnt wurde, noch mal eingeladen, noch mal abgelehnt wurde. Das Transitgeschäft wird so wichtig, irgendwann rufen die mich an, hatte Karolina nach der zweiten Absage behauptet und nichts getan, außer zu warten. Sechs Monate später war sie eingestellt. Hier passt unser Toter hin, dachte Wegener. Hierher gehören der Anzug, die Uhr, die Krawatte. Er stiefelte zu dem eleganten Nussbaumtresen und legte seinen Dienstausweis auf das polierte Holz. »Zu Frau Karolina Enders bitte.«
    Die Empfangsdame hob zwei frei erfundene Augenbrauen und tackerte demonstrativ gelassen auf der Nanotchev-Tastatur herum. Motiv-Fingernägel: Sonne, Mond und Sterne.
    Wegener steckte seinen Ausweis wieder ein, lehnte sich an den Tresen und hatte das Gefühl, drüben zu sein. Ankunft im Grand-Hotel. Die Halle des Berolina-Hauses war nichts anderes als eine Orgie. Eine Messing- und Marmor-Orgie. Ein gnadenloses Geprotze für die energiesüchtigen EU-Unterhändler, seht her, die DDR hat auch was zu bieten und ihr seid schön scharf darauf, Friede den Hütten, Sieg den Palästen. Deckenlampen, Wandleuchter, Standaschenbecher, die Beschilderung der einzelnen Abteilunge n – alles, was sich aus Metall herstellen ließ, glänzte golden. Der Boden hellster Stein. Rote Teppichbahnen malten Gehwege ins makellose Weiß, kreuzten sich in der Mitte der Halle, flossen rechts und links die Stufen der geschwungenen Freitreppen hinauf in den ersten Stock. Ein riesiger Flatscreen voller Diagramme, Börsenkurven, Zahlenblinkereien. Energiepreise von London bis Peking. In einer Sitzgruppe aus dunklen Lederwürfeln lachten zwei junge Anzugträger, der eine zeigte dem anderen etwas auf seinem Minsk. Kurzrasierte Haare. Blasse Plattfressen. Gas-Russen, dachte Wegener und hörte, wie die Empfangsdame mit Karolina telefonierte, ein Herr Wagner sei hier. Oder so.
    Die jungen Russen wurden von einem langen Weißhaarigen begrüßt. Der Weißhaarige ließ die Hände seiner Gäste gar nicht mehr los. Der kleinere Russe sagte etwas, über das alle drei grinsten. Lafontaine! rief der Weißhaarige. Jetzt wurde laut gelacht. Der kleinere Russe versuchte, dem langen Weißhaarigen auf die Schulter zu klopfen und kam nicht ganz dran. Die Empfangsdame hüstelte. Wegener drehte sich um.
    »Frau Enders ist auf dem Weg. Sie können so lange Platz nehmen.«
    Wegener nickte, wendete, ging zur Sitzgruppe. Der Weißhaarige und seine Russen kamen an ihm vorbei, alle drei rochen nach Tabak, Aftershave, Geldgier. »Wir sind da sehr optimistisch«, sagte der Weißhaarige, »und Herr Jost natürlich auch.« Einer der Russen antwortete etwas auf Deutsch, das Wegener nicht verstand. Herr Jost kam darin vor, und ein Wort, das so ähnlich klang wie Ända . Vielleicht sollte das Enders heißen. Wegener setzte sich auf die Ledercouch und versuchte sich vorzustellen, wie Karolina in Konferenzen mit solchen russischen Milchbubis hockte, im teuren Kostüm, mit einem echt wirkenden künstlichen Lächeln, mit tausend Informationen und Planvorgaben im Kopf, gerade mal fünfunddreißig, immer noch im Körper einer Zwanzigjährigen und schon die erste Hälfte der geplanten Ministeriumskarriere absolviert, die zweite Hälfte fest im Blick. Vor ein paar Jahren wäre ihr das selbst unheimlich gewesen. Vor

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