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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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und rauchten, ohne jeden Sinn für Lieneckes betuliches Ballett. Die Volkspolizisten starrten in die Dunkelheit, beneideten vermutlich ihre Kollegen, die schon vor mehr als einer Stunde mit dem Jäger und seinen beiden sabbernden Kötern zum Revier gefahren waren, zogen an krummen Kippen, ihre Nasen umgedrehte Schornsteine, die den Rauch nach unten bliesen, aber der ließ sich nicht täuschen und trieb unbeirrt nach oben.
    Wegener hockte sich hin. Griff in trockene Blätter. Hier hatte es seit Tagen nicht geregnet. Vielleicht sogar seit Wochen nicht. Auf Reifenspuren durften die Laubsammler kaum hoffen. Fußspuren noch unwahrscheinlicher. Blieb die ewige Hoffnung auf unbewusst ausgespuckte Kaugummis, Lackspuren an Eichenrinde, Notizzettel, die durch Hosentaschenlöcher gerutscht waren. Wegener stand wieder auf und lehnte sich an einen Baumstamm. Seine Armbanduhr zeigte Viertel nach neun. Mit Glück würde hier um elf abgebaut. Mit Pech irgendwann zwischen eins und zwei.
    Der Kommissar ist vierundzwanzig Stunden am Tag misstrauisch, hatte Früchtl gesagt, und der misstrauische Kommissar bleibt bis zum Schluss. Der misstrauische Kommissar misstraut den Kollegen, der Spurensicherung und dem Mordopfer, weil er der Misstrauer Nr . 1 ist. Der misstrauische Kommissar misstraut an erster Stelle sich selbst. Vertrauen kannst du auf Gott, hatte Früchtl gesagt, und bei uns noch nicht mal auf den.
    Lieneckes Truppe rückte jetzt langsam zur Pipeline vor. Neben dem Generator stapelten sich prall gefüllte Säcke. Der nackte Waldboden war eine schrumpelige, braune Haut voller Wurzeladern und Löcher, aber ohne Kaugummis und Notizzettel. Lienecke hob die rechte Hand. Seine Männer nickten. Das sind die Bilder, die mir im Kopf herumlaufen, wie in einem Hamsterrad, wenn ich neunzig bin, dachte Wegener, als Endlosschleife, im Altenheimbett, wenn auch die letzten Synapsen zusitzen und der Speichel in Fäden auf die Bettwäsche tropft. Wenn andere im Delirium von ihren Ginsterbüschen und Kasselerbraten und FDJ-Hanseln gequält werden, dann sehe ich zwei quarzende Vopos vor einer erleuchteten Blätterinsel, auf der die Ku-Klux-Klan-Ortsgruppe Köpenick in Zeitlupe tanzt, stakst, raschelt, während im Hintergrund ein Toter baumelt. Und die Schwester sagt: Aber Herr Wegener!, und geht mir mit der behandschuhten Hand über die letzten grauen Haare, fast zärtlich, so, als hätte die Hand gar keinen Handschuh an, das ist doch alles schon lange vorbei, Herr Wegener, das war einmal, Ihr Wald, Ihre Blätterinsel, Ihr Ballett, Ihr Toter, die dicken Vopos, der Energieministeriumsvertreter. Das haben Sie hinter sich, das spielte mal sieben oder zehn Tage lang eine Rolle in Ihrem Leben, eine Hauptrolle vielleicht sogar, aber danach nicht mehr, niemals, nie. Wegener merkte, wie die Müdigkeit ihn plötzlich packte. Wie die sich dumpf um seinen Kopf wickelte, eine bordsteinkantendicke Schaumstoffmatte, alles dämmend, alles verschluckend. Am liebsten wäre er sofort an dem rauen Stamm nach unten gerutscht, ins trockene Laub, hätte sich knisternd zusammengerollt und Lienecke gebeten, die Lampen auszumachen, ganz schnell, alle acht.
    Einer der Vopos grunzte.
    Wegener drehte sich um.
    Zwei helle Punkte flimmerten weit entfernt über den Forstweg und kamen langsam näher.
    Lienecke hob den Kopf, nickte, sah wieder nach unten.
    Seine Assistenten brachen ihre Buddelei ab und verstellten den Winkel der vorderen Strahler. Die Lichtkegel ruckten nacheinander in Richtung Pipeline, illuminierten eine triste Naturbühne, die Show konnte beginnen. Der glänzende, lang gezogene Phobos Prius wurde sichtbar. Sein ovaler Kühlergrill funkelte. Über dem Wagen leuchtete plötzlich auch die Leiche. Aus dem Schatten der Gasleitung herausgeschnitten, erschien sie jetzt grell vor dem Waldschwarz, eine schlaffe, schwebende Marionette an einem einzigen Faden. Dieser Tote dreht uns allen den Rücken zu, dachte Wegener, der hängt zwar am Strick, aber mit der Polizei will er deshalb noch lang nichts zu tun haben. Sein Geheimnis gehört ihm. Keine Lust auf nikotinsüchtige Vopos, Lieneckes Laubsammelroboter, einen hundemüden Ermittler. Hier interessiert sich keiner für den anderen. Hier hat jeder seinen exakt abgegrenzten Job: Hängen, Rauchen, Starren, Suchen. Für eine Sekunde wurde Wegener das Bizarre, das jeder Tatort mit sich brachte, wieder bewusst, die unwirkliche Verbindung von angehaltener Zeit und automatisierter Betriebsamkeit, die Gegenstandswerdung eines

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