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Planet der Affen

Planet der Affen

Titel: Planet der Affen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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drei Kegelschnitte mit ihren Achsen und den Brennpunkten – eine Ellipse, eine Parabel und eine Hyperbel. Dann zeichnete ich auf die gegenüberliegende Seite einen Kegel. Bekanntlich ergeben sich je nach Lage der Schnittebenen zur Kegelachse diese drei Kegelschnitte. Ich demonstrierte nun, wie eine Ellipse zustande kommt, und zeigte mit dem Finger auf die entsprechende Figur in meiner ersten Zeichnung. Die Schimpansin staunte. Sie riss mir das Heft aus den Händen, zeichnete ihrerseits einen Kegel mit einer anderen Schnittebene und wies mit dem langen Finger auf die Hyperbel. Ich war so bewegt, dass mir Tränen in die Augen traten und ich Ziras Hände krampfhaft umklammerte. Hinter mir im Käfig kreischte Nova vor Empörung – instinktiv hatte sie die Bedeutung dieses Gefühlsausbruchs erfasst. Was da zwischen Zira und mir entstand, war eine mit Hilfe der Geometrie errichtete geistige Brücke. Ich empfand darüber beinahe sinnliche Befriedigung, und ich spürte, dass die Schimpansin ähnliches durchlebte. Sie riss sich brüsk los und lief aus dem Saal, blieb jedoch nicht lange fort. Ich schwelgte inzwischen in Träumereien und wagte Nova dabei nicht anzusehen. Sie umkreiste mich murrend, und mich überfiel fast ein Schuldgefühl ihr gegenüber.
    Als Zira zurückkam, reichte sie mir ein auf ein Zeichenbrett aufgezogenes großes Blatt Papier. Ich überlegte einige Sekunden lang und entschloss mich dann zum alles entscheidenden Vorstoß. In einer Ecke des Blattes entwarf ich das System des Beteigeuze, wie wir es bei unserer Ankunft entdeckt hatten – mit dem riesigen Fixstern und seinen vier Planeten. Ich zeichnete die genaue Position Sorors und des kleinen Trabanten ein. Danach zeigte ich mit dem Finger auf die betreffende Stelle und dann auf Zira. Sie gab mir mit einem Zeichen zu verstehen, dass sie begriffen hatte.
    Daraufhin skizzierte ich in einer anderen Ecke des Blattes unser Sonnensystem mit den wichtigsten Planeten. Ich deutete auf die Erde und tippte mir mit dem Finger auf die Brust. Diesmal verstand Zira nicht gleich. Auch sie zeigte zuerst auf die Erde, dann wies ihr Finger zum Himmel. Ich machte eine bestätigende Geste. Sie war wie vom Donner gerührt, und ich bemerkte, wie es in ihrem Kopf fieberhaft zu arbeiten begann. Ich half ihr, so gut ich konnte, indem ich von der Erde zu Soror eine Linie zog, die Flugbahn unseres Raumschiffes darstellend, und dann auch noch dieses selbst zeichnete, natürlich in einem viel zu großen Maßstab. Ihr ging ein Licht auf. Ich war überzeugt, dass sie nun über meine wahre Natur und Abstammung im Bild sein musste. Sie wollte sich gerade wieder an mich wenden, als im selben Moment Zaius am Ende des Ganges auftauchte.
    Die Schimpansin erschrak. Hastig rollte sie das Blatt Papier zusammen, steckte ihr Heft in die Tasche und legte mit beschwörendem Blick den Finger an die Lippen. Sie riet mir also, mich vor Zaius nicht zu erkennen zu geben. Ich gehorchte – ohne den Grund für diese Geheimnistuerei einzusehen, doch in der Gewissheit, in ihr eine Verbündete gefunden zu haben – und verhielt mich weiterhin wie ein intelligentes Tier.

2
    Von diesem Zeitpunkt an machte dank Zira meine Kenntnis der Affenwelt und der Affensprache rasch Fortschritte. Unter dem Vorwand, mich speziellen Tests zu unterziehen, kam sie mich täglich allein besuchen, um mich zu unterrichten. Sie unterwies mich in ihrer Sprache und lernte gleichzeitig meine. Ihre Auffassungsgabe war verblüffend. Nach knapp zwei Monaten waren wir so weit, dass wir uns über die unterschiedlichsten Themen unterhalten konnten. Nach und nach wurde ich über die Eigentümlichkeiten des Planeten Soror in Kenntnis gesetzt, und im Folgenden möchte ich versuchen, einen Überblick über diese fremdartige Zivilisation zu geben.
    Sobald Zira und ich uns miteinander verständigen konnten, lenkte ich das Gespräch auf den Hauptgegenstand meiner Neugier. Waren die Affen die einzigen denkenden Wesen, die Krone der Schöpfung, auf diesem Planeten?
    »Natürlich«, antwortete sie, »ist der Affe das einzige vernunftbegabte Geschöpf, das einzige, das eine Seele besitzt. Sogar die größten Materialisten unter unseren Wissenschaftlern erkennen die übernatürliche Beschaffenheit der Affenseele an.«
    Solche und ähnliche Äußerungen ließen mich immer wieder unwillkürlich zusammenzucken. »Und was sind dann die Menschen, Zira?« Wir unterhielten uns in meiner Sprache, denn sie hatte sie, wie ich bereits erwähnte, schneller

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