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Planet der Affen

Planet der Affen

Titel: Planet der Affen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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ist.
    »Ulysse, Ulysse!«
    Noch nie habe ich ihn in einem solchen Zustand erlebt. Er kann kaum sprechen. Die Arbeiter, die die Grube ebenfalls verlassen haben, stehen im Kreis um den Fund herum und verstellen mir die Sicht. Amüsiert deuten sie mit dem Finger auf das Ding, einige lachen laut. Es handelt sich fast ausschließlich um robuste Gorillas, die Cornelius nicht allzu nahe heranlässt.
    »Ulysse!«
    »Was gibt es denn?« Nun sehe ich auch den Gegenstand im Sand.
    Cornelius murmelt mit erstickter Stimme: »Eine Puppe, Ulysse, eine Puppe.«
    Es ist tatsächlich eine Puppe, eine einfache Porzellanpuppe. Wie durch ein Wunder ist sie beinahe unversehrt, mit Haarresten auf dem Kopf und Farbspuren an den Augen. Für mich ist das eine so alltägliche Erscheinung, dass mir Cornelius' Erregung zunächst unverständlich bleibt. Erst nach ein paar Sekunden begreife ich – und dann erschüttert auch mich die Erkenntnis. Die Puppe stellt nämlich ein kleines Menschenmädchen dar! Doch ich lasse mich auf keine Hirngespinste ein. Bevor man in Rufe des Erstaunens ausbricht, muss man sämtliche infrage kommenden Erklärungen prüfen, und ein Gelehrter wie Cornelius hat das sicherlich getan. Zum Beispiel: Manche Puppen, mit denen Affenkinder spielen, haben tierische oder sogar menschliche Gestalt – letzteres kann es also nicht sein, was den Schimpansen so erregt. Die Spielzeugpuppen der kleinen Affen sind allerdings nicht aus Porzellan und vor allem sind sie normalerweise nicht bekleidet, zumindest nicht so wie vernunftbegabte Wesen. Und diese Puppe ist ganz eindeutig angezogen wie eine irdische Puppe. Man kann die Reste des Kleides, des Unterrocks und des Höschens bestens erkennen. Es scheint so, als habe eine kleine Erdenbürgerin ihre Lieblingspuppe herausgeputzt. Mit einer solchen Sorgfalt hätte ein Affenkind wohl seine Affenpuppe ausstaffiert, niemals jedoch eine Puppe in Menschengestalt. Ich verstehe, ich verstehe immer besser, was mein Freund, der Schimpanse, empfindet.
    Und das ist noch nicht alles. Das Spielzeug weist eine weitere Eigentümlichkeit auf, eine groteske Besonderheit, die alle Arbeiter zum Lachen bringt und sogar dem Orang-Utan, der die Ausgrabungen leitet, ein Lächeln entlockt. Die Puppe spricht. Sie spricht genauso wie eine Puppe bei uns. Als er sie hingelegt hat, hat Cornelius unabsichtlich den erhalten gebliebenen Mechanismus berührt – und sie hat gesprochen. Nun, natürlich hat sie keine Rede gehalten, sondern lediglich ein Wort, ein zweisilbiges Wort von sich gegeben: »Pa-pa.« Und »Pa-pa« sagt die Puppe erneut, als Cornelius sie wieder in die Hand nimmt und von allen Seiten betrachtet. Es ist in der Affensprache dasselbe Wort wie in unserer – wie in vielleicht noch manch anderer Sprache dieses geheimnisvollen Universums –, und auch die Bedeutung ist dieselbe. »Papa«, sagt die kleine Puppe noch einmal, und ich sehe, wie sich die Schnauze meines gelehrten Freundes rötet. Ich bin selbst so außer mir, dass ich mich zurückhalten muss, nicht laut aufzuschreien. Cornelius zieht mich mit sich fort, wobei er seinen kostbaren Schatz nicht loslässt.
    »Dieser verdammte Idiot!«, murmelt er schließlich nach langem Schweigen.
    Ich weiß, wen er meint, und teile seine Entrüstung. Der alte, ordengeschmückte Orang-Utan hat in dem Fund nichts weiter gesehen als ein simples Affenspielzeug, das ein verschrobener Hersteller vor undenklichen Zeiten mit einem Sprechmechanismus ausgestattet hat. Es ist zwecklos, ihm eine andere Interpretation vorzuschlagen. Cornelius versucht es nicht einmal – denn die Erklärung, die sich ihm aufdrängt, ist so erschütternd, dass er sie lieber für sich behält. Nicht einmal mir gegenüber lässt er etwas verlauten, obwohl er genau weiß, dass ich seine Gedanken erraten habe.
    Den Rest des Tages bleibt er nachdenklich und schweigsam. Ich gewinne den Eindruck, dass er nun Angst hat, seine Forschungen weiterzuführen, und seine vertraulichen Äußerungen mir gegenüber bereut. Nachdem die erste Erregung abgeklungen ist, bedauert er offenbar, dass ich Zeuge seiner Entdeckung gewesen bin. Am folgenden Tag erhalte ich den Beweis für die Richtigkeit meiner Annahme. Er hat die ganze Nacht nachgedacht und teilt mir, meinem Blick ausweichend, mit, er habe beschlossen, mich ins Institut zurückzuschicken. Meine dortigen Studien seien viel wichtiger als der Aufenthalt in diesem Ruinenfeld. Mein Rückflug ist auch schon gebucht. In vierundzwanzig Stunden reise ich

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