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Planet der Affen

Planet der Affen

Titel: Planet der Affen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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    Nehmen wir an, sagte ich mir, die Menschen hätten früher einmal auf diesem Planeten geherrscht. Nehmen wir an, es habe vor mehr als zehntausend Jahren eine der unseren ähnliche, menschliche Zivilisation auf Soror existiert…
    Das ist jetzt keine aus der Luft gegriffene Theorie mehr – im Gegenteil. Kaum habe ich sie formuliert, da ergreift mich jenes Hochgefühl, den einzigen Ausweg aus dem Irrgarten gefunden zu haben. In dieser Richtung, das weiß ich jetzt, liegt die Lösung des beklemmenden Affenrätsels. Und ich muss mir eingestehen, dass ich mir unbewusst immer eine Erklärung dieser Art erhofft habe.
    Ich befinde mich im Flugzeug, das mich in die Hauptstadt zurückbringt, begleitet von einem von Cornelius' Assistenten, einem wortkargen Schimpansen. Ich habe allerdings selbst keine große Lust, mich mit ihm zu unterhalten. Flugreisen stimmen mich immer nachdenklich, und außerdem werde ich so bald keine bessere Gelegenheit finden, um meine Gedanken zu ordnen.
    Nehmen wir also an, es habe einmal eine der unseren vergleichbare menschliche Zivilisation auf dem Planeten Soror existiert. Ist es möglich, dass Wesen ohne schöpferischen Verstand diese Zivilisation einfach durch Nachahmung weitergeführt haben? Die Antwort auf diese Frage erscheint mir gewagt, doch je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Argumente kommen zusammen, und schließlich ist sie gar nicht mehr so abwegig. Die Ansicht, perfektionierte Maschinen könnten uns eines Tages ablösen, ist, wenn ich mich recht erinnere, auf der Erde weit verbreitet, und zwar nicht nur bei Schriftstellern, sondern in allen Schichten der Gesellschaft. Vielleicht wird diese Idee gerade wegen ihrer Popularität von den Gelehrten mit Misstrauen zur Kenntnis genommen. Und vielleicht enthält sie aus demselben Grund auch ein Körnchen Wahrheit – ein Körnchen wohlgemerkt: Maschinen bleiben immer Maschinen, der ausgeklügeltste Roboter bleibt immer ein Roboter. Aber gesetzt den Fall, es handelt sich um Lebewesen, die bis zu einem gewissen Grad beseelt sind, wie die Affen? Und ausgerechnet den Affen ist ein starker Nachahmungstrieb eigen …
    Ich schließe die Augen und lasse mich vom Brummen der Motoren einlullen. Ich muss noch schärfer nachdenken, um meine These zu präzisieren.
    Wodurch wird eine Zivilisation geprägt? Durch Genies? Nein, durch das tägliche Leben … Bestimmen wir also den Anteil des Geistes. Damit meine ich vor allem die Künste und an erster Stelle die Literatur. Angenommen, unsere großen Menschenaffen besäßen die Fähigkeit, Wörter aneinander zu reihen. Wäre dann die Literatur wirklich außerhalb ihrer Reichweite? Woraus besteht Literatur? Aus Meisterwerken? Keineswegs. Sobald – und das geschieht allenfalls ein- oder zweimal in einem Jahrhundert – ein wirklich originelles Buch geschrieben wird, wird es auch gleich imitiert, und so entstehen Unmengen von Variationen desselben Themas, die sich nur geringfügig, etwa in Titel und Aufbau, voneinander unterscheiden. Das sollten die Affen als geborene Nachahmer doch wohl zustande bringen können, vorausgesetzt, wie gesagt, dass sie über eine Sprache verfügen.
    Der einzige stichhaltige Einwand ist also das Problem der Sprache. Doch eigentlich ist es nicht unbedingt notwendig, dass die Affen das, was sie kopieren, auch verstehen, um nach dem Vorbild eines einzelnen Buches eine Unzahl von Texten zu produzieren. Das ist bei ihnen ebenso wenig erforderlich wie bei uns. Es genügt, wenn sie, genau wie wir, Gehörtes nachplappern können. Im übrigen erfolgt die literarische Produktion rein mechanisch. Und an diesem Punkt kommt die Ansicht einiger Biologen in vollem Umfang zur Geltung: Nichts hindert den Affen ihrer Meinung nach anatomisch gesehen daran zu sprechen; was fehlt, sei allein der Wille. Man kann sich nun ohne weiteres vorstellen, dass dieser Wille eines Tages, womöglich aufgrund einer Mutation, erwacht ist.
    Eine Weiterführung der Literatur durch sprechende Affen erscheint also durchaus vorstellbar. Und ebenso wäre es möglich, dass sich einige Affenliteraten Schritt für Schritt über das allgemeine intellektuelle Niveau erhoben haben. Wie mein Freund Cornelius sagte: Die Tat – in diesem Fall der Umgang mit dem Wort – erzeugt den Geist. So konnten auch in der schönen neuen Affenwelt originelle Ideen entstehen, etwa eine pro Jahrhundert – wie bei uns.
    Diese Gedanken munter weiterspinnend, gelangte ich bald zu der Überzeugung, dass gut dressierte Tiere ohne

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