Planeten 05 - Saturn
gestanden. Sie durfte Raoul nicht in ihren Fängen lassen, egal was geschehen würde.
»Wieso bringt ihr uns dorthin?«, fragte Holly.
»Wir befolgen nur unsere Befehle«, sagte der stämmige Anführer des Sicherheits-Teams.
»Befehle? Wessen Befehle?«
»Oberst Kanangas. Er will sich in der zentralen Luftschleuse mit Ihnen unterhalten.«
Eberly war überhaupt nicht erfreut, aber er wusste, dass er keine andere Wahl hatte, als Morgenthau zu dieser Besprechung mit Kananga zu begleiten. Was soll ich sonst tun, fragte er sich. Ich bin doch nicht mehr als eine Galionsfigur.
Sie hat die eigentliche Macht, sie und Kananga und diese Natter Vyborg. Ohne ihn und seinen krankhaften Ehrgeiz wäre das alles nicht passiert. Ich habe die Macht für sie gewonnen, nicht für mich.
Widerwillig folgte er Morgenthau zum Fahrradständer vorm Verwaltungsgebäude und stieg auf eins der Zweiräder mit Elektroantrieb. Von hinten sah Morgenthau aus wie ein Nilpferd auf einem Fahrrad. Er bemerkte, dass sie nicht einmal auf ebener Strecke in die Pedale trat; stattdessen überließ sie es dem lautlosen kleinen Elektromotor, sie zu befördern. Ich hoffe nur, dass der Akku leer ist, wenn wir die Steigung erreichen, sagte Eberly sich boshafterweise.
Aber sie schaffte den ganzen Weg bis zum Habitat-Ende und zur Luke, die zur zentralen Luftschleuse führte.
Eberly folgte ihr brav. Sie ließen die Fahrräder im Ständer an der Luke stehen und betraten den kalten, trübe beleuchteten Stahltunnel.
Als die Luke sich hinter ihnen schloss, schaute Eberly über die Schulter zurück wie ein Häftling, der einen letzten Blick nach draußen wirft, bevor die Gefängnistore sich hinter ihm schließen. Er sah eine kleine Gruppe von Leuten, die die Steigung zur Luke erklommen. Drei von ihnen trugen die schwarzen Gewänder der Sicherheitskräfte. Die große, schlanke Gestalt in ihrer Mitte sah wie Holly aus. Den Mann in einer beigefarbenen Montur, der vor den anderen herhinkte, erkannte er aber nicht.
Dann schloss die Luke sich, und Eberly spürte, wie die Kälte des kühlen Stahltunnels ihm ins Gebein drang.
»Kommen Sie«, sagte Morgenthau. »Kananga wartet an der Schleuse auf uns. Vyborg ist auch da.«
Eberly folgte ihr wie ein widerspenstiger kleiner Junge, der zur Schule geschleppt wird, und fragte sich, was er zu tun vermochte.
Gaeta vertrieb mit einem Blinzeln den Schweiß aus den Augen. Er hatte die Notantenne eingeholt und sie noch zweimal ausgefahren. Jedes Mal hatte er etwa fünf Minuten einer klaren, deutlichen Kommunikation herausgeschunden, bevor die Eis-Kreaturen die Antenne wieder mit einer so dicken Eisschicht ummantelt hatten, dass die Verbindung abbrach.
Die Helmvisier-Anzeigen wurden mit Gelb gesprenkelt, als er elektrische Energie von den Anzugsensoren und sogar von den Servomotoren abzog, die Arme und Beine bewegten, und zur Heizung umleitete. Die Arme vermochte er selbst mit Hilfe der sich abmühenden Servomotoren kaum noch zu bewegen.
Gott weiß, wie dick die Eisschicht schon ist.
Das Problem ist, dass die Anzugshaut eine zu gute Wärmeisolierung hat, sagte er sich. Der Anzug ist darauf ausgelegt, Wärme zu speichern und nicht etwa nach draußen abzugeben.
Das brachte ihn auf eine Idee. Es war zwar gewagt, aber es war eine Idee. Wie lang vermag ich im Vakuum zu atmen, fragte er sich. Das war eine Art Russisches Roulette, das Astronauten, Stuntmen und andere Verrückte hin und wieder spielten: Vakuum-Atmen. Man öffnet den Anzug und hält den Atem an. Der Trick dabei ist, den Anzug rechtzeitig wieder zu schließen, bevor man erstickt oder einem die Augen durch den Unterdruck aus den Höhlen quellen. Viele Leute hatten schon einen Rekordversuch unternommen; die meisten von ihnen waren tot. Er erinnerte sich, dass Pancho Lane gut in diesem Spiel gewesen war; damals, als sie noch Astronautin gewesen war.
Die eigentliche Frage lautet, sagte Gaeta sich: Wie viel Luft enthält der Anzug? Und wie schnell wird sie wohl entweichen, wenn ich eine Klappe öffne, zum Beispiel die im Ärmel?
Er wünschte, er hätte das mit Fritz abzuklären vermocht, doch nun funktionierte nicht einmal mehr die Notantenne; als er sie zuletzt benutzt hatte, war sie so stark vereist, dass er sie nicht mehr einzuholen vermochte.
Du bist auf dich allein gestellt, muchacho. Stell selbst Berechnungen an und handle auf eigene Faust. Es hilft dir niemand mehr.
Kananga wirkte ruhig und zufrieden; der große Mann stand lächelnd vor der inneren Luke der
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