Planeten, Sterne, Universum
diese feurigen Gebilde einmal in einem Spezialfernrohr von der Sonnenoberfläche aufsteigen und als Bögen oder Schleier darüber verharren gesehen hat, wird die Bilder dieser Urgewalten wohl nie mehr vergessen.
Feurige Bögen
Protuberanzen bestehen aus bis zu 50 000°C heißem Wasserstoffgas. Sie schweben über der orangerot leuchtenden Chromosphäre (Farbhülle) der Sonne oder werden mit hohen Geschwindigkeiten von rund 100km/s gelegentlich 200 000km weit in den ebenfalls bei totalen Sonnenfinsternissen sichtbaren Strahlenkranz der Korona hinausgeschleudert – der zweiten, darüberliegenden Schicht der Sonnenatmosphäre. Von dort stürzen sie meist auf die Sonnenoberfläche zurück. Doch die heftigsten unter ihnen schleudern Zungen oder Schleifen aus Materie sogar mehrere Hunderttausend Kilometer hoch über die Photosphäre; manche können sich ganz von der Sonne lösen und in den Weltraum entweichen. Die Formen und Dimensionen der solaren Fontänen sind verschieden. Die meisten erreichen eine Länge von mehr als 100000km, während die „Dicke“ nur wenig mehr als 10000km beträgt.
Natürlich geht es auch kleiner: Neben diesen in die Höhe schießenden Gaszungen gibt es in der Chromosphäre auch viele flammenartige Plasmasäulen, die sogenannten Spiculen. Wie ein Wald aus ständig sich bewegenden kleinen Flammen erscheinen sie dem Betrachter. Jede von ihnen erstreckt sich bis zu 10000km in die Höhe, wo sie für ein paar Minuten bestehen bleibt. Das geschieht entlang von Magnetfeldlinien, die bei allen Aktivitätserscheinungen auf der Sonne eine Rolle spielen.
Flares und CMEs
Aber es gibt auch noch eine Steigerung, und zwar in Form der Flares, die auch als chromosphärische Eruptionen bezeichnet werden. Dies sind intensive Strahlungsausbrüche auf der Sonne, die sich ebenfalls in der Chromosphäre abspielen. Mit ihnen zusammen werden oft auch koronale Massenauswürfe (CMEs) beobachtet: Riesige Gasmassen (bis zu 1013 kg, was etwa der Masse der Zugspitze entspricht!) werden mit Geschwindigkeiten bis zu über 2000km/s aus der Korona in den Weltraum geschleudert. Diese explosionsartigen Massenauswürfe verursachen innerhalb des stetig fließenden Sonnenwindes Stoßwellen, ähnlich dem Überschallknall eines Flugzeuges. Wenn diese Stoßwellen dann auf die Erdmagnetosphäre treffen, entladen sich auf der Erde geomagnetische Stürme und es sind verstärkt Polarlichter zu beobachten.
Körnige Oberfläche
Die Sonne erscheint also im Allgemeinen als ein Ort nicht endenden Tumults. Dieser Eindruck stimmt zwar, aber wie in einem Topf kochenden Wassers gibt es auch ruhige Zonen, in denen unsere Sonne nur „köchelt“. Vergrößert man die Bereiche zwischen den Sonnenflecken – und das ist der größte Teil der Sonnenoberfläche – zeigt sich eine Aufteilung in einzelne Zellen. Sie wirkt wie eine Art Körnung, weshalb die Sonnenphysiker auch von der „Granulation“ sprechen. Sie besteht aus etwa 950km breiten Zellen auf- und absteigender Gase, die der Sonnenoberfläche das Aussehen eines köchelnden Reisbreis geben
.
Wie aktiv die Sonnenoberfläche ist, zeigt diese Aufnahme der Magnetfeldlinien der Sonne
.
(c) NASA (Goddard Space Flight Center Scientific Visualization Studio)
Ein Kranz um die Sonne
Faszination Korona
Man kann die nur bei einer totalen Sonnenfinsternis sichtbare Korona durchaus mit der Hintergrundbeleuchtung einer Bühne vergleichen. Wie sie hebt dieser die verdunkelte Sonnenscheibe umgebende helle Saum den Akteur in den Vordergrund, setzt ihn ins rechte Rampenlicht – und das ausgerechnet dann, wenn die Region, über der sich dieses Ereignis abspielt, wegen der Abblendung des Sonnenlichts für kurze Zeit in tiefe Nacht getaucht ist.
Ein milchig weißer Halo
Die Korona ist bei jeder Sonnenfinsternis zu sehen, denn sie ist ein Teil der Sonnenatmosphäre, und zwar der äußerste Bereich. Dass dieser milchig weiße Halo nur dann zu sehen ist, hat einen einfachen Grund: Diese Gasschicht ist sehr dünn und wird von der Photosphäre überstrahlt.
Bis zur Erfindung des Koronografen durch den französischen Astronom Bernard Lyot (1897–1952) in den 1930er-Jahren konnte man diese Hülle unseres Tagesgestirns nur während einer totalen Sonnenfinsternis erforschen – und dazu standen dann jeweils maximal sieben Minuten zur Verfügung.
Mit einer speziellen Kegelblende, die eine Art ständige totale Sonnenfinsternis erzeugt, sowie besonderen Filtern konnte Lyots Spezialfernrohr zumindest einen Teil der
Weitere Kostenlose Bücher