Plasma

in die Rippen und erhielt dafür sofort einen Tadel. »Lass das!«, zischte die Lehrkraft.
    Etwa zur selben Zeit drehten sich die Männer auf den Dächern um.
    »Verzeihung, Sir.« Der Sicherheitschef hielt Kendricks auf, der eben den Korridor zwischen den Stuhlreihen betrat. »Senator? Es wurde Alarm ausgelöst.«
    Schraeder reagierte zuerst. »Wo?«
    »Auf dem Flugfeld. Ihre Maschine. Sie landet nicht.« Der Mann hatte während des Sprechens die linke Hand über die Ohrmuschel gelegt und horchte.
    Die Schulkinder begannen sich gegenseitig wieder zu stoßen und zu schubsen, aber die Lehrkraft starrte in die entgegengesetzte Richtung.
    »Sie nimmt Kurs auf uns«, sagte der Agent.
    Kendricks' Miene wirkte plötzlich wie aus Stein gemeißelt. Er bedachte Ulinow mit einem langen, prüfenden Blick und sagte: »Versuchen Sie uns etwa unter Druck zu setzen, um bessere Bedingungen für unseren Deal herauszuschlagen?«
    Ulinow antwortete nicht.
    Schraeder zerrte ihn am Ärmel und schrie: »Verdammt! Nun sagen Sie schon, was hier vorgeht!«
    Der Senator schien jedoch weder eine Drohung noch einen Triumph in Ulinows Zügen zu lesen. Er nahm den Sicherheitsmann mit dem Headset beiseite, und Schraeder drängte näher, um zu hören, was sie besprachen, aber erst, nachdem er mit ausgestrecktem Finger auf Ulinow gewiesen und »Durchsucht ihn!« gezischt hatte.
    Einer der Army Rangers hielt seine Pistole an Ulinows Stirn. »Wagen Sie es nicht, auch nur Luft zu holen!«, drohte er, während sein Partner Ulinows Kleidung nach Waffen oder elektronischen Geräten abtastete. Alles entsorgt. Er hatte seinen PDA und das Handy zwei Nächte zuvor zerstört und die Glock-Pistole in die Fäkalienkassette unter dem Sitz einer Chemietoilette geworfen.
    »Zurück in den Wagen«, fauchte Kendricks.
    Der dumpfe Bass des Flugzeugs dröhnte über die Stadt hinweg, schickte seine Vibrationen der langsamen Maschine voraus. Alle schauten jetzt zum Himmel. In das Grollen mischte sich das schrille Kreischen eines aufsteigenden Kampfjets, aber noch war keines der Flugzeuge von Ulinows Platz aus zu sehen. Eine Brise bauschte die Fahnen an ihren hohen Masten. Dann schrie eine Frau hysterisch los, Kendricks und Schraeder rannten zur Straße, und die Army Ranger zerrten Ulinow so grob hinterher, dass er ins Stolpern geriet. »Schneller! Schneller!«
    Die Zivilbewacher hatten ihre Waffen ebenfalls gezogen, als könnte das noch helfen. Es half tatsächlich. Einer der Männer erreichte die Autokolonne als Erster und richtete seine Pistole auf einen soeben eingetroffenen GMC Yukon.
    »Aus dem Weg!«, brüllte der Agent.
    »Ich chauffiere den Kongressabgeordneten O'Neil«, erklärte der Fahrer, aber der Agent schrie: »Der Wagen ist beschlagnahmt!«
    Neben ihnen kämpften sich andere Gruppen mit Geschrei in die geparkten Autos. Inmitten dieses kleinen Chaos verlor Ulinow doch noch seine Gelassenheit. Bitte, dachte er, bitte!
    Aber die Panik nahm kein Ende und versetzte sein Adrenalin in Wallung. Er sah, wie zwei Soldaten einen Schulter-Raketenwerfer ins Freie zerrten. Einige der Kinder weinten, aber das ging im allgemeinen Lärm unter. Dann eröffneten die Soldaten auf den Dächern rund um die Plaza das Feuer, und das Bellen rückstoßfreier Gewehre übertönte die menschlichen Stimmen. Scharfschützen versuchten von ihren Verstecken aus die Maschine vom Himmel zu holen – und einen Augenblick lang hoffte Ulinow, dass es ihnen gelingen möge.
    Kendricks war grob mit Ulinow umgesprungen, empört über seine Spionage und seinen Verrat. Durch ihn hatte er den Russen gedroht, dass er große Lust habe, sie ganz im Stich zu lassen. Erst ließ er sie eine Zeit lang betteln. Dann gab er nach und erklärte sich bereit, die getroffene Abmachung einzuhalten und die Überlebenden Russlands mit amerikanischen Flugzeugen in den indischen Teil des Himalaya zu verfrachten. Alles, was darüber hinausging, sollte teuer bezahlt werden. Begrenzte Munition. Begrenzte Nahrungsmittel. Leadville würde kein Vieh und auf gar keinen Fall Nano-Waffen liefern.
    Das wäre es, sagte Kendricks, und die Russen waren auf sein Machtspiel eingegangen. Sie bekannten, dass sie sich in einer verzweifelten Lage befanden. Sie hatten nur noch eine zusätzliche Bitte. Die Amerikaner sollten fünfzehnhundert Frauen und Kinder sowie einige hochrangige Diplomaten direkt in Leadville aufnehmen, die einerseits eine kleine Nebenkolonie zu gründen und andererseits die guten Beziehungen zwischen den USA und