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Titel: Plattform Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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stellte die Beine nebeneinander: Alles verschwand wieder. Sie beugte sich über den Tisch: Ich spürte, wie ihr Busen unter dem Stoff wogte. Ich hätte Stunden damit verbringen können, ihr zuzuschauen. Es war eine einfache, unschuldige, unendliche schöne Freude; ein reines Glücksversprechen.

    Sie waren um dreizehn Uhr im Restaurant Le Divellec in der Rue de l'Université verabredet; Jean-Yves und Valérie waren fünf Minuten vorher da.
        »Wie sollen wir das Gespräch beginnen?« fragte Valerie beunruhigt, als sie aus dem Taxi stiegen.
        »Och, du kannst ihm ja sagen, wir wollten ein paar Puffs für Deutsche aufmachen ...«, sagte Jean-Yves und verzog dabei müde das Gesicht. »Komm, mach dir keine Sorgen, er wird schon selbst die Fragen stellen, die ihn interessieren. «
        Gottfried Rembke traf pünktlich um dreizehn Uhr ein. Sobald er das Restaurant betrat und seinen Mantel dem Kellner reichte, wußten sie, daß er es war. Er war untersetzt, kräftig, hatte eine Schädelglatze, einen offenen Blick und einen energischen Händedruck: Er war der Inbegriff eines gewandten, dynamischen Mannes und entsprach völlig dem Bild, das man sich von einem großen Unternehmer, genauer gesagt, von einem großen deutschen Unternehmer macht. Man konnte sich gut vorstellen, wie er schwungvoll den Tag begann, mit einem Satz aus dem Bett sprang und eine halbe Stunde auf dem Trimmrad verbrachte, ehe er in seinem nagelneuen Mercedes ins Büro fuhr und dabei die Wirtschaftsnachrichten hörte. »Der ist perfekt, der Typ ...«, brummte Jean-Yves, während er mit einem breiten Lächeln aufstand, um ihn zu begrüßen.
        In den ersten zehn Minuten sprach Herr Rembke übrigens nur über die französische Küche. Es stellte sich heraus, daß er ein guter Kenner des Landes, der französischen Kultur und der Feinschmeckerrestaurants war; er besaß sogar ein Haus in der Provence. »Der ist echt scharf, der Typ...«, dachte Jean-Yves, während er sein Langusten-Consommé mit Curaçao betrachtete. »Oh my god! «, fügte er innerlich hinzu und tauchte seinen Löffel in die Brühe. Valérie machte ihre Sache sehr gut: Sie hörte aufmerksam und mit glänzenden Augen zu, als sei sie von ihm gebannt. Sie wollte wissen, wo genau in der Provence, ob er oft genug die Zeit fände zu kommen usw. Sie hatte ein Salmi aus Samtkrabben mit Preiselbeeren bestellt.
        »Also«, fuhr sie fort, ohne den Ton zu wechseln, »Sie wären möglicherweise an dem Projekt interessiert. «
        »Sehen Sie«, erwiderte er in besonnenem Ton, »wir wissen genau, daß der >Tourismus mit Charme<« - er war über den Ausdruck leicht gestolpert - »eine der wesentlichen Motivationen unserer Landsleute beim Auslandsurlaub ist -und das kann man im Grunde nur zu gut verstehen, denn gibt es eine angeneh mere Art zu reisen? Trotzdem, und das ist recht seltsam, hat sich bis heute kein großes Unternehmen ernsthaft mit der Frage beschäftigt - abgesehen von ein paar, im übrigen völlig unzureichenden Versuchen in Richtung der homosexuellen Kundschaft. So erstaunlich das auch erscheinen mag, haben wir es mit einem ganz neuen Markt zu tun. «
        »Das ist ein ziemlich umstrittenes Thema, ich finde, daß die Mentalität der Leute da noch Fortschritte machen muß...«, warf Jean-Yves ein, wobei ihm sogleich klar wurde, daß er großen Blödsinn von sich gab, »und zwar auf beiden Seiten des Rheins...«, beendete er den Satz kläglich. Rembke warf ihm einen kühlen Blick zu, ganz so, als verdächtige er ihn, sich über ihn lustig zu machen; Jean-Yves beugte sich schnell wieder über seinen Teller und schwor sich, bis zum Ende des Essens keinen Ton mehr zu sagen. Valérie war sowieso perfekt in ihrer Rolle. »Wir sollten französische Probleme nicht auf Deutschland übertragen«, sagte sie und schlug die Beine mit einer unbefangenen Bewegung übereinander. Rembke richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf sie.
        »Unsere Landsleute«, fuhr er fort, »sind gezwungen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, und geraten daher oft an Vermittler von zweifelhaftem Charakter. Ganz allgemein gesehen, ist der Sektor von ausgesprochenem Dilettantismus geprägt - was eine gewaltige Gewinneinbuße für die gesamte Branche darstellt. « Valérie stimmte unverzüglich zu. Der Kellner brachte einen gebratenen Petersfisch mit frischen Feigen.
        »Ihr Projekt«, sagte er dann, nachdem er einen Blick auf seinen Teller geworfen hatte, »interessiert uns

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