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Titel: Plattform Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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von Lacoste; aber das tat er eigentlich eher automatisch, aus alter Gewohnheit, ohne zu überprüfen, ob seine Lieblingsmarke inzwischen nicht von einem Konkurrenten an Bekanntheitsgrad übertroffen worden war. Manche Mitarbeiterinnen des Kulturministeriums, die ich vom Sehen kannte (wenn ich das mal so nennen darf, denn ich vergaß regelmäßig von einem Mal aufs andere ihre Namen, ihre Stellung und sogar ihre Gesichter), kauften Modellkleider von Couturiers; aber es handelte sich dabei immer um junge, völlig unbekannte Couturiers, deren Kreationen in einer einzigen Boutique in Paris verkauft wurden, und ich wußte, daß meine Kolleginnen nicht zögern würden, auf diese Kleider zu verzichten, falls sie unerwartet größeren Erfolg haben sollten.

    Die Vormachtstellung von Nike, Adidas, Armani, Vuitton war jedoch unbestreitbar; zum Beleg dafür brauchte ich nur, wann immer ich wollte, den Wirtschaftsteil in der lachsfarbenen Beilage im Figaro durchzublättern. Aber wer sorgte, abgesehen von den Jugendlichen aus den Vororten, für den Erfolg dieser Marken? Es mußte ganze Bereiche der Gesellschaft geben, die mir fremd geblieben waren ; es sei denn, es handelte sich ganz einfach um die reich gewordenen Schichten der Dritten Welt. Ich war nicht viel gereist, hatte nicht viel erlebt, und es wurde immer deutlicher, daß ich kaum etwas von der modernen Welt begriff.
        Am 27. September fand eine Versammlung mit den elf Geschäftsführern der Eldorador Clubs statt, die aus diesem Anlaß nach Évry gekommen waren. Es war eine der üblichen Versammlungen, die jedes Jahr zur gleichen Zeit stattfanden, um die Ergebnisse des Sommers zu bilanzieren und über mögliche Verbesserungen zu diskutieren. Doch diesmal hatte sie eine besondere Bedeutung. Zunächst weil drei Clubs in andere Hände übergingen - der Vertrag mit Neckermann war gerade abgeschlossen worden. Außerdem mußten sich die Leiter von vier der verbleibenden Clubs - und zwar jenen, die in Zukunft unter der Bezeichnung »Aphrodite« liefen - darauf einstellen, die Hälfte ihrer Mitarbeiter zu entlassen.
        Valérie nahm an der Versammlung nicht teil, sie war mit einem Vertreter von Italtrav verabredet, um ihm das Projekt vorzustellen. Der italienische Markt war viel stärker zersplittert als der nordeuropäische: Obwohl Italtrav der größte italienische Reiseveranstalter war, stellte seine Finanzkraft nicht einmal ein Zehntel der Kapazität von TUI dar; ein Abkommen mit ihnen könnte dennoch eine nützliche zusätzliche Kundschaft bedeuten.
        Sie kam gegen neunzehn Uhr von ihrer Verabredung zurück. Jean-Yves saß allein in seinem Büro; die Versammlung war gerade zu Ende gegangen.
        »Na, wie haben sie reagiert?«
        »Schlecht. Aber das kann ich verstehen; sie spüren vermutlich, daß ihr eigener Job bedroht ist. «
        » Hast du vor, die Geschäftsführer der Clubs zu ersetzen?«
        »Es handelt sich um ein neues Projekt; daher ist es wohl besser, mit neuen Teams anzufangen.«
        Seine Stimme war sehr ruhig. Valérie warf ihm einen überraschten Blick zu: In der letzten Zeit zeigte er eine ungewohnte Selbstsicherheit - und Härte.
        » Ich bin mir j etzt sicher, daß die Sache ein Erfolg wird. In der Mittagspause habe ich den Leiter des Boca Chica Clubs auf Santo Domingo beiseite genommen. Ich wollte mir Gewißheit ver schaffen, wollte wissen, wie er es fertigbringt, daß sein Club immer zu 90 % ausgebucht ist, egal zu welcher Jahreszeit. Er hat zunächst Ausflüchte gemacht, war ziemlich verlegen und hat mir von ihrer Teamarbeit erzählt. Schließlich habe ich ihn direkt gefragt, ob er den Mädchen Zugang zu den Gästezimmern gewährt. Es hat mich ziemliche Anstrengung gekostet, ihn dazu zu bringen, die Sache zuzugeben, er hatte Angst, dafür bestraft zu werden. Ich war gezwungen, ihm zu sagen, daß mich das überhaupt nicht störe, im Gegenteil, daß ich seine Initiative interessant fände. Da hat er schließlich ausgepackt. Er fand es blöd, daß die Gäste in zwei Kilometer Entfernung ein Zimmer mieteten, häufig ohne fließend Wasser und noch dazu auf die Gefahr hin, übers Ohr gehauen zu werden, obwohl sie an Ort und Stelle allen Komfort haben. Ich habe ihn beglückwünscht und ihm versprochen, daß er seinen Posten als Geschäftsführer des Clubs behalten werde, auch wenn er der einzige sein sollte, der bleiben darf. «
        Draußen wurde es dunkel; Jean-Yves knipste die Lampe auf seinem

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