Ploetzlich Fee 04 - Frühlingsnacht
Doch viel entscheidender war, dass ich nicht noch einmal derartig leiden wollte – nicht noch einmal meine Panzerung aufgeben wollte, nur damit mir dann das Herz herausgerissen wurde.
Tief in meinem Inneren hatte ich immer gewusst, dass wir auf verlorenem Posten standen. Schließlich war klar, dass ein Winterprinz und die halb sterbliche Tochter des Sommerkönigs kaum eine Chance hatten, am Ende glücklich vereint zu sein. Doch ich war bereit gewesen, es zu versuchen. Ich hatte absolut alles dafür gegeben, und ich bereute nichts davon, auch wenn Meghan den uns verbindenden Eid aufgelöst und mich aus dem Eisernen Reich verbannt hatte.
An diesem Tag hatte ich meinen Tod kommen sehen. Ich war bereit gewesen. Der bei meinem Wahren Namen gesprochene Befehl, zu gehen und Meghan allein im Eisernen Reich sterben zu lassen, hatte mich fast ein zweites Mal vernichtet. Ohne meinen Schwur, dass ich eines Tages wieder mit ihr vereint sein würde, hätte ich vielleicht mein Leben weggeworfen – zum Beispiel, indem ich Oberon vor dem versammelten Sommerhof zum Duell forderte. Doch ich hatte diesen Eid geleistet, und nun gab es kein Zurück mehr. Hielt ich mich nicht an dieses Versprechen, würde es dafür sorgen, dass mein innerstes Wesen sich nach und nach auflöste, bis nichts mehr von mir übrig blieb. Selbst wenn ich nicht wild entschlossen gewesen wäre, einen Weg zu finden, um im Eisernen Reich überleben zu können, hatte ich nun keine Wahl mehr; ich musste weitermachen.
Ich werde wieder mit ihr vereint sein oder sterben. Es gibt keine anderen Optionen.
»Hey, Eisbubi, alles klar? Du machst schon wieder dieses Grübelgesicht.«
»Es geht mir gut.«
»Du bist so ein Miesepeter.« Puck lag in einer Astgabel und hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt, während er einen Fuß in der Luft hängen ließ. »Freu dich doch mal! Wir haben endlich den Kater gefunden – wofür wir übrigens einen Verdienstorden kriegen sollten, die Suche nach dem Goldenen Vlies war ein Scheißdreck dagegen –, und du siehst aus, als wolltest du gleich morgen früh losziehen, um Mab zum Zweikampf zu fordern.«
»Ich denke nach. Solltest du auch irgendwann mal ausprobieren.«
»Ohhh, wie geistreich.« Puck schnaubte abfällig, zog einen Apfel aus der Tasche und biss hinein. »Wie du meinst, Eisbubi. Aber du solltest es wenigstens ab und zu mit einem Lächeln probieren , sonst friert dein Gesicht ein und du schaust auf ewig so drein. Habe ich jedenfalls gehört.« Grinsend kaute er auf seinem Apfel herum. »Also, wer ist mit der ersten Wache dran: du oder ich?«
»Du.«
»Wirklich? Ich dachte, du wärst dran. Habe ich nicht die erste Wache übernommen, nachdem wir die Knochenmarsch erreicht hatten?«
»Stimmt.« Ich musterte ihn verärgert. »Bis zu dem Zeitpunkt, als du das Lager verlassen hast, um hinter einer Nymphe herzurennen, woraufhin dieser Kobold mein Schwert klauen wollte.«
»Ach ja.« Puck kicherte, obwohl ich nichts Komisches daran finden konnte. Dieses Schwert hatten die Eisigen Archonten des Drachenberges für mich geschmiedet. Bei seiner Entstehung waren mein Blut, meine Magie und ein kleiner Teil meiner Lebensessenz mit eingeflossen. Niemand außer mir fasst diese Waffe an.
»Zu meiner Verteidigung möchte ich anmerken, dass sie auch versucht hat, mich auszurauben.« Puck grinste immer noch. »Ich habe noch nie gehört, dass eine Nymphe und ein Kobold sich zusammengetan hätten. Nur dumm für sie, dass du so einen leichten Schlaf hast, was, Eisbubi?«
Ich verdrehte die Augen, blendete sein ewiges Geplapper aus und entspannte mich.
Ich träume fast nie. Träume sind etwas für Sterbliche, für Menschen, deren Emotionen so stark und verzehrend sind, dass sie in ihr Unterbewusstsein vordringen. Feen träumen für gewöhnlich nicht, unser Schlaf wird nicht durch Gedanken an die Vergangenheit oder Zukunft gestört, es gibt nichts außer dem Jetzt. Während Menschen von Gefühlen wie Schuld, Sehnsucht, Besorgnis oder Reue gequält werden können, kennen die meisten Feen solche Empfindungen nicht. In vielerlei Hinsicht sind wir leerer als Sterbliche, uns fehlen die tiefer gehenden Emotionen, die jene so … menschlich machen. Vielleicht üben sie gerade deswegen eine solche Faszination auf uns aus.
In der Vergangenheit war ich nur einmal von Träumen heimgesucht worden, in der Zeit nach Ariellas Tod. Es waren grauenhafte, quälende Albträume gewesen, von dem Tag, als ich sie hatte sterben lassen, dem Tag, an dem ich
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