Ploetzlich Liebe
unserem Projekt wöchentlich Ryans selbstzufriedenem Grinsen stellen muss, kann ich es mir nicht leisten, ihm einen Grund dafür zu liefern. Von Tatsächlich … Liebe bis Citizen Kane : mein Plan ist, alles zu kennen.
Während ich meinen Bücherstapel die Treppe hochschleppe, beginne ich schon mit der Planung für die nächsten Tage. Ohne die Essays, die ich in Oxford zu schreiben hatte, ist meine Woche nahezu unstrukturiert, aber ich bin sicher, ein stilles Stündchen mit meinem Kalender wird da schon Abhilfe schaffen. Beim Aufschließen der Tür nimmt bereits ein fester Tagesablauf Gestalt an. Ich kann mir einen Stundenplan einrichten, nach dem ich Filme ansehe, in der Bibliothek forsche und vielleicht sogar …
»Was machst du denn hier?«
Die Tür schwingt auf und gibt den Blick auf eine vertraute Gestalt auf dem Sofa frei, die in Zeitschriften blättert. Bei meinem Anblick setzt sich Ryan kerzengerade auf. »Was machst du hier?«
»Du bist …« Er blinzelt. »Na klar. Die verklemmte Britentusse. «
»Die was ?«
Doch ehe ich noch irgendetwas fragen kann, erscheint Morgan in der Tür zu ihrem Zimmer. Sie trägt ihr Haar offen und glatt, dazu einen weißen Jeansrock und das passende
Tanktop. Sie glänzt geradezu vor Bräunungsöl und Sonnenschein.
»Toll, ihr habt euch schon bekannt gemacht.« Morgan strahlt uns an und ich kriege langsam ein ziemlich schlechtes Gefühl. »Em, das ist mein Freund!«
Tasha
»Nein, schon verstanden … alles easy.«
Seufzend schleudere ich meine Pumps von mir und lasse meine Handtasche wieder auf den Boden fallen.
»Tut mir wirklich leid«, entschuldigt sich Holly am anderen Ende der Leitung. »Ich hab versucht, das ganze Lesepensum rechtzeitig zu erledigen, aber ich hab immer noch sechs Kapitel vor mir und Laborberichte zu schreiben und …«
»Echt, ist in Ordnung!«, versichere ich ihr noch einmal und versuche meine Enttäuschung zu verbergen. »Wir feiern ein anderes Mal.«
»Danke, Natasha.« Es ist zu hören, dass Holly abgelenkt ist, ich weiß, dass sie ihr Lehrbuch schon aufgeschlagen hat.
»Vielleicht am Wochenende. Samstag hab ich Training, aber Sonntag ginge es.«
»Okay.« Ist ja nicht so, dass ich Pläne hätte. »Dann bis Sonntag.«
»Bis bald.«
Ich lege auf und seufze anhaltend. Holly kann nichts dafür, das weiß ich. Sie ist Medizinstudentin vor dem Physikum, und das bedeutet: mehr Vorlesungen und praktische Übungen, als ein normaler Mensch verkraften kann. Meine beiden Essays in der Woche sind gar nichts im Vergleich zu ihrem Arbeitspensum, aber irgendwie bringt sie auch noch Sport darin unter, steht morgens um fünf auf, trainiert in der Sporthalle oder rudert auf dem eiskalten Fluss. Ich glaube, sie ist verrückt.
Aber verrückt oder nicht, sie ist meine einzige Freundin in Oxford, wenn denn als Freundschaft zählt, dass wir uns in den zwei Wochen, seit wir uns kennen, ein paarmal getroffen haben. Als wir uns vornahmen, heute Abend in eine Bar zu gehen und dann vielleicht in einen der winzigen Clubs zum Tanzen, da war das so was wie der Höhepunkt meines bisherigen Aufenthalts. Ich hab die Bibliothek heute Abend sogar früher verlassen, um mir die Haare zu glätten und die Finger zu maniküren.
Na, nun muss ich mich mit perfekten Nägeln begnügen.
»He, warte mal!«
»Beeil dich, wir verpassen den Anstoß.«
»Nur eine Sekunde …«
Eine Gruppe von Leuten trampelt an meinem Zimmer vorbei, und als sie weg sind, ist alles wieder still. Ich hasse
diese Stille hier, da hört man den Spaß, den alle anderen haben, umso lauter. Und wenn ich Spaß sage, dann meine ich nicht nur all die guten, sauberen Sachen. Meine Wände sind so dünn, dass ich jedes leidenschaftliche Grunzen und Stöhnen aus dem Nebenzimmer hören kann. Jede Nacht dasselbe: murmelnde Unterhaltung, währenddessen schnulzt Robin Thicke los, dann Showtime, während ich meine Kopfhörer einstöpsele und Kelly Clarkson so laut röhren lasse, dass ich wahrscheinlich einen bleibenden Hörschaden davontrage. Bis jetzt hab ich den Typen noch nicht gesehen (ist doch wohl klar, dass es ein Typ sein muss. Also, Robin Thicke? Ich muss schon sagen), aber er macht ganz schön was los.
Ich checke, ob Morgan zum Chatten online ist, aber keiner da. Jetzt, wo ich angezogen bin und so, kann ich es nicht ertragen, einfach hierzubleiben und mir wieder DVDs reinzuziehen, also schnappe ich mir meinen Mantel – und den Schal und die Handschuhe – geh an einer Traube von Leuten auf der Treppe
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