Plötzlich Royal
auf dem Thron wäre somit eine Zerreißprobe für den Commonwealth of Nations, da er diesen Schwur vom ersten Moment seiner Regierung an aufgrund seiner angeborenen Veranlagung nicht halten könnte.
Neben den genannten Schwierigkeiten in Übersee würde ein schwuler und verpartnerter Monarch auch mit der Church of England in Konflikt geraten. Diese steht Schwulen und Lesben zwar relativ tolerant gegenüber, fordert aber von schwulen Geistlichen ein zölibatäres Leben, was sie von heterosexuellen Priestern nicht verlangt. Da der britische Monarch ihr Oberhaupt ist, würde sie einen schwulen Lebenspartner des Königs kaum akzeptieren können.
Die Zurücknahme des homophoben Gesetzes Section 28 (auch Clause 28 genannt) gelang erst Ende 2003, unter heftigem Widerstand des Oberhauses. Eine konservative Oberschicht, angeführt von der fortschrittsfeindlichen Baroness Janet Young, hat sich vehement gegen die Abschaffung des diskriminierenden Gesetzes gewehrt, das es öffentlichen Institutionen wie Schulen und Behörden verbot, positiv zu Homosexualität Stellung zu nehmen. Im Roman wird diese schwulenfeindliche, konservativ christlich geprägte Aristokratie durch Sir Geoffrey und Earl Binnester repräsentiert. Doch anders als in der Zeit von Prince George, First Duke of Kent, leben wir seit dem ersten Jahrzehnt des einundzwanzigsten Jahrhunderts in einer Epoche, in der ein offen schwuler britischer König zumindest in der öffentlichen Diskussion nicht mehr tabu ist. Hinter den Palastmauern würde das jedoch sicher etwas komplizierter sein.
Wie aber lässt sich nun diese Fragestellung nach einem schwulen König in der Gegenwart in einem Roman thematisieren? Eine Umsetzung dieses Spannungsfeldes in einer hundert Prozent fiktiven Umgebung, die beispielsweise einen schwulen Prinzen in einem Königreich Phantasia agieren ließe, würde auch die Homophobie zu einem rein fiktiven Problem herabsetzen. Im anderen Extrem hätte man dem realen Prinzen Harry eine versteckte Homosexualität unterstellen können, doch da dies die Persönlichkeitsrechte Seiner Hoheit verletzen würde, konnte der Roman auch diesen Weg nicht gehen.
Um reale Mitglieder des Königshauses nicht in tragende Rollen hineinzuziehen, wurde der Stammbaum der Windsors um den Zweig eines älteren Zwillingsbruders von Prince Charles ergänzt (siehe Seite 5): Der fiktive Protagonist Sascha Burger schaffte den nötigen Freiraum, um einen schwulen Prinzen und späteren König in der Wirklichkeit des ersten Jahrzehnts nach der Jahrtausendwende sich entwickeln zu lassen. Ein Grenzfall stellt der Premierminister David Cramer dar: Da dieser in verschiedenen Szenen doch sehr aktiv und impulsiv handelt, wäre es zu weit gegangen, seine Worte dem realen britischen Premierminister David Cameron in den Mund zu legen.
In einem Internetforum wurde jüngst gefragt, was passiert wäre, wenn sich Prince William zum Ende seines Kunstgeschichte-Studiums nicht in Kate verliebt hätte, sondern in einen Kevin und das „dank“ der Paparazzi auch unleugbar öffentlich geworden wäre. Sicher hätte es sich die britische Regierung unter Tony Blair politisch nicht leisten können, einerseits die Civil Union einzuführen und andererseits einen schwulen William vor die Palasttür zu setzen. In dem Forum wurde auch das Problem für die Monarchie angesprochen, dass ein offen schwuler König keine legitimen Nachkommen haben würde und deshalb gezwungen werden müsste, eine Prinzessin zu heiraten – beide müssten dann ihre Gefühle der Staatsraison opfern. Dieses Argument sticht nicht, denn es folgt immer jemand auf den Thron, auch wenn ein verstorbener König keine direkten Nachkommen hinterlassen hat; so ging auch die bayrische Monarchie aufgrund des Ersten Weltkriegs unter und nicht deshalb, weil der Märchenkönig Ludwig II. dem männlichen Geschlecht zugetan war. Während die Mehrheit des britischen Volkes vermutlich mit einem schwulen William klargekommen wäre, müsste sich hinter den Mauern der letzen Bastion des guten Benehmens die Vorstellung, dass nicht nur ein Traumpaar aus Prinz und Prinzessin, sondern auch ein treues schwules Paar eine wertvolle Vorbildfunktion für die Gesellschaft übernehmen könnte, vermutlich erst noch entwickeln; ebenso in den homophoben Überseegebieten.
In Wirklichkeit wird frühestens in der Generation nach William ein Schwuler oder eine Lesbe den britischen Thron besteigen. Es ist zu hoffen, dass bis dahin auch die oben genannten Realms sich zu
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