Plötzlich Royal
Jack, Windsor, Regenbogen scheint mir und Earl Amble angemessen. Die Flaggen werden beim Abspielen der Hymne auf Halbmast hochgezogen, der Union Jack zwei Fuß höher als die anderen.“
„Dem Palast sind leider die Regenbogenflaggen ausgegangen“, musste Earl Amble berichten, der nach Mr Grants Auskunft interimistisch wieder das Amt des Lord Chamberlains bekleidete. „Ihre ist ja an einer Fahnenstange festgemacht.“
Der Duke of Edinburgh, der sich inzwischen wieder in den Rollstuhl gesetzt hatte, blickte den Earl strafend an. Doch ich wusste Rat, borgte mir rasch die Fahne und zeigte, wie man die Fahne lösen und wieder klemmen konnte. Der Duke schaute mich fragend an.
„Als der Freche im Vorstand von Zart & Heftig, dem Verein schwuler Zürcher Studenten, war ich Fahnenträger beim CSD-Umzug.“
„Ha! Der Freche, das kann ich mir lebhaft vorstellen“, meinte Prince Philip amüsiert.
„Wir führen die Flaggen im kurzen Umzug zum Victoria Memorial mit und Prince Harry übergibt sie dann der Garde zum Hissen. Geben Sie uns eine Viertelstunde!“, bat Earl Amble und ging telefonierend wieder auf der Mall in Richtung Palast.
Cramer hatte sich inzwischen bis zu mir und den Royals durchgekämpft, neigte den Kopf vor Prince Philip und begrüßte mich mit einem kurzen Handschlag.
„BBC, CNN und Gott allein wissen, wer in diesem Moment alles live drauf ist. Ich hab die Polizei angewiesen, die tausend Leute da vor dem Zaun hereinzulassen, das gibt sonst katastrophale Bilder. Haben Sie es bereits mitgekriegt, Sascha? Es werden schon erste Wetten für die nächste Parlamentseröffnung angenommen, ob Sie meine oder ich Ihre Regierungserklärung vorlesen werde“, meinte Cramer, der bemerkt hatte, dass die Live-Kameras gerade die Sicherheitsschleuse filmte.
„Ganz so krass wird es nicht kommen, David“, versicherte ich mit einem kurzen spitzbübischen Grinsen. Cramer schien sich da nicht mehr so sicher zu sein.
„Im Parlament in Kingston wurde gestern Nacht mit großer Mehrheit die Ausrufung der Republik zum kommenden ersten Januar beschlossen. Es gab nur ein paar Enthaltungen, keine Gegenstimme“, berichtete der Premierminister.
Was sollte ich dazu sagen? Ich zog es vor, die Nachricht nur mit einem Nicken zu bestätigen.
Cramer ging nun die weiteren Royals begrüßen, da die Kameras uns wieder im Visier hatten. Timm und jemand von einer LGBT-Organisation verteilten Zettel mit dem Text der Nationalhymne. Bei etwas Smalltalk mit den Demonstranten bemerkte ich, dass vorne beim Denkmal Earl Amble winkte, wir sollten kommen. Ein Zug der Foot Guards stand dort bereit und in der Constitution Hill Street ein Militärorchester .
Wir stellten uns nun auf der Mall in Formation. William durfte zu meiner Rechten den Union Jack tragen, neben ihm ging Cramer. Prince Philip ging zu meiner Linken – er hatte den Rollstuhl abgelehnt –, daneben Simon, der den Regenbogen trug.
Der Weg war nicht besonders lang. Die Kameraleute vor uns drängelten sich um die besten Plätze. Die übrigen in den Sicherheitsbereich eingelassenen Trauergäste gingen von der Straße auf die Seite und begleiteten uns mit höflichem Applaus, neigten sogar den Kopf oder versuchten eine Art Hofknicks, wenn wir auf gleicher Höhe waren.
„Bei Colonel McLey bilden Sie eine Front gegen die Fahnenmaste, Publikum in den Raum gleich hier daneben“, lenkte Earl Amble, der das Handy in der Hand hielt. John – einen Fuß mit einem Spezialschuh ruhiggestellt – und zwei seiner Leute spannten ein gelbes Band, um anzudeuten, bis zu welchem Abstand die Leute aufschließen durften, und winkten nun die etwas zögerlich gewordenen Demonstranten, schneller bis an das gelbe Band zu treten. Die eingesessenen Royals, Simon und ich sowie Cramer schlossen inzwischen in einer Reihe bei Earl Amble an, mit direkter Front gegen die Fahnen, mit der Eisenstangen-Absperrung des Denkmals im Rücken und senkrecht zu den Demonstranten auf der einen Seite und den aufgerückten Foot Guards auf der anderen. Der Colonel in roter Uniform und mit Bärenfellmütze machte zackig Meldung und kommandierte das Hissen des Union Jack, flankiert von der Windsor-Flagge und dem Feldzeichen der Garde. Es erklang Trommelwirbel und die Kapelle begann die Hymne zu spielen. Alle sangen mit:
God save our gracious King, Long live our noble King, God save the King! Send him victorious, Happy and glorious, Long to reign over us; God save the King!
O Lord, our God arise, Scatter his enemies, And
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