Plötzlich Royal
verhindern. In den Untersuchungsbericht schreiben wir einfach, den Koffer mit den abgerundeten Ecken habe Ihnen Ihr Vater geschenkt und da Sie Aktenkoffer nicht besonders mögen, hätten Sie ihn an Binnester weiterverschenkt. Zu diesem Bericht werden Sie als Monarch sowieso nie direkt Stellung nehmen.“
Das mit Sir Geoffrey schien bereits beschlossene Sache zu sein. Dass er aus Staatsraison einfach davon kommen sollte, gefiel mir nicht.
„Willkommen in der Realpolitik“, meinte Cramer mit leicht ironischem Tonfall nach ein paar stillen Momenten, während wir uns ab der Ausfahrt „Heathrow (Terminal 4 & Cargo)“ mit der Macht unseres Blaulichts zwischen Überhol- und Mittelspur durch einen Stau zwängen mussten.
„Apropos Realpolitik. Putin ist wütend auf mich?“
„Davon weiß ich nichts. Im Gegensatz zu Kanzlerin Merkel hängen wir nicht an seinem Erdgas, also kann es uns egal sein, was der Kreml zu Ihrer improvisierten Rede meint“, entgegnete Cramer gelassen.
„Den Titel König von Jamaika kann ich vermutlich bald von der Visitenkarte streichen“, knüpfte ich an.
„Das scheint in Kingston beschlossene Sache zu sein. Es gibt bereits den Vorschlag, Kingston in Marley umzutaufen. Sie verstehen? Bob Marley, der berühmteste aller Reggae-Sänger.“
Eigentlich wäre jetzt ein kühler britischer Lacher angebracht gewesen, aber es war ja überhaupt nicht lustig. Es ging schließlich nicht darum, einen längst verstorbenen Künstler zu ehren, sondern das Wort „King“ im Namen loszuwerden. Da ich nicht reagierte, fuhr der Premierminister fort, während ich in die recht ebene Landschaft entlang der Autobahn schaute. Die Siedlungsdichte hatte abgenommen, als wir ein Autobahnkreuz gleich nach der Ausfahrt Heathrow Airport passierten. Ein leichter Unfall hatte den Stau verursacht, nun ging es wieder flotter voran.
„Wie macht sich Timm als Ihr inoffizieller Leibwächter und Geheimdienstler?“
„Er war sehr tapfer“, lobte ich etwas platt. „Sie schulden mir noch seine Kaution.“
„Da müssen Sie sich an Sir Baron wenden. Nicht wenige im Kabinett und beim MI6 hatten Zweifel an Timms politischer Einstellung. Doch aufgrund Ihrer gemeinsamen Erlebnisse vor zwei Jahren würde niemand etwas Besonderes vermuten, wenn Sie ihn im Palast aufnehmen, jedenfalls würde niemand denken, er ermittle verdeckt nach Attentätern. Die Psychologen dachten, zu ihm könnten Sie besonders schnell ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufbauen, schneller als zum offiziellen Chef der Sicherheit, und Timm war ganz erpicht darauf, wieder zu Ihnen zu dürfen.“
„Das ist so, ja. Er mag sich nicht so kleiden und reden, wie das im Palast üblich ist, aber er ist intelligent und loyal. Ich würde ihn gerne weiterhin in meiner Nähe haben.“ Ich erwartete einen Tadel, Timm sah in mir und Simon nur seine Kumpels und nicht das Monarchenpaar, doch zu meiner Erleichterung wechselte Cramer das Thema.
„Im Commonwealth of Nations schlage ich als diplomatisches Ziel vor, dass Sie als britischer Monarch das Oberhaupt des Commonwealth bleiben und auch den jährlichen Gipfel eröffnen, wie es seit der Gründung 1931 Tradition ist“, schlug der Premier vor.
Wir passierten das Autobahnkreuz mit der M25 und zum letzten Mal war ein Gate des Flughafens angeschrieben. Mir war bisher gar nicht bewusst gewesen, wie riesig der Flughafen so quasi vor der Haustür von Windsor war. Vielleicht sollte ich nun den Blick in die Zukunft richten. Zum Premier gewandt sagte ich: „Das sollten wir ganz bestimmt anstreben, aber ohne dafür unseren Einsatz für die Menschenrechte zu vernachlässigen. Je stärker sich die Lage für uns Schwule und Lesben in den westlichen Ländern bessert, umso hasserfüllter wettern Politiker und Kleriker anderswo gegen uns.“
Wenig später war auf einem braunen Schild „Windsor Castle“ zu lesen und auch der Hinweis „Ascot“ mit einem Reitersymbol darauf. Dies sei eines der traditionsreichsten britischen Pferderennen mit sehr strenger Kleiderordnung für den Adel, musste Cramer mit leicht hämischem Unterton extra erwähnen. Das Land hier war reich mit Bäumen und Büschen überwachsen und für mich als halben Schweizer doch sehr flach. Unser Konvoi fuhr an der Ausfahrt „Slough, Windsor“ von der Autobahn ab und verscheuchte mit seinem Blaulicht die vor der nächsten Ampel wartenden Autos.
„Ich werde Sie gegen die Homophobie im Commonwealth unterstützen. Sie müssen nicht ganz so leise sein wie die
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